Das Cannabis hat der Angeklagte über das Darknet bestellt. Foto: dpa

Als völlig untypisch bezeichnet das Gericht einen 24-Jährigen, der dreieinhalb Jahre in Haft muss. Der Student hat kiloweise Marihuana aus Spanien für sich und Freunde eingeführt, ohne auf Gewinn spekuliert zu haben.

Stuttgart - Am Mittwoch steht für die 5. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts einer ihrer typischen Fälle auf der Tagesordnung: Acht Angeklagte müssen sich vom späten Vormittag an wegen bandenmäßigen Drogenhandels verantworten. Zuvor hat die Kammer noch ein Urteil zu fällen, das wegen der Person des Angeklagten dagegen völlig anders geartet ist. Drei Jahre und sechs Monate muss dieser wegen Handels mit Marihuana hinter Gitter. „Sie sind ein ziemlich untypischer Angeklagter“, sagt der Vorsitzende Richter Volker Peterke. „Hier sind sonst nur Schwerkriminelle, Sie sind aber ein ganz anderer Typ.“

Keine Gleichheit im Unrecht

Denn der 24-jährige Student aus dem Remstal hat außer dem Rauchen von Joints in seinem Leben bisher nichts verbrochen. Im Gegenteil – er präsentierte sich als engagierter und selbstreflektierter Mensch, der sich seine Entscheidungen genau überlegt. Nur jene nicht, die ihn nun vor rund einem halben Jahr in U-Haft brachte: er bestellte im Darknet Marihuana kiloweise, nicht nur für sich selbst, sondern auch für einen ehemaligen Schulfreund, der ihn darum bat. Dieser ist in einem separaten Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, was die Verteidigerin nicht versteht. „Eigentlich hätte dessen Prozess auch vor das Landgericht und nicht vor ein Amtsgericht gehört“, sagte die Rechtsanwältin im Plädoyer. Die Taten beider seien nahezu identisch. „Aber ich weiß, es gibt keine Gleichheit im Unrecht.“

„Eigentlich sind Sie ein ordentlicher junger Mann, andererseits ein Krimineller“, sagt der Richter Peterke, denn Einfuhr und Handel mit Marihuana im Kilobereich – und darum handelte es sich in diesem Fall – gilt nicht als Bagatelle, sondern als Schwerkriminalität.

Die Familie steht zu dem Angeklagten

Das mit der Einfuhr sei ihrem Mandanten gar nicht bewusst gewesen, sagt die Verteidigerin, die den trotz seiner überaus misslichen Lage gut gelaunten jungen Mann als „pfiffiges Kerlchen“ bezeichnet. Das Marihuana kam aus Spanien, also einem Land der EU. „Dass es über Grenzen transportiert wurde, war ihm gar nicht klar.“

In Stammheim habe er die komplette JVA hinter sich, berichtete die Verteidigerin am ersten Verhandlungstag. „Mittlerweile bin ich zum Reiniger aufgestiegen“, sagte der 24-Jährige. Das Putzen sei ganz okay. „Nur das Reinigungsmittel ist ziemlich scharf“, bemerkte er grinsend, was wiederum seine Familie erheiterte, die ihm nicht nur während des Prozesses durch ihre Anwesenheit konsequent die Treue hält.

Gute Zukunftsprognose

Der Marihuana-Konsum des 24-Jährigen weise Beziehungen zu seiner Lebensführung auf, sagte der Richter. „Wenn es nicht gut lief, rauchten Sie mehr und vielleicht lief es dann noch schlechter.“ Trotzdem gelang es dem Studenten immer wieder, komplett mit dem Rauchen aufzuhören, auch weil er Ziele, die er sich gesteckt hatte, erreichen wollte. Das macht wiederum das Gericht zuversichtlich, dass er in Zukunft ein normales Leben führen wird.