Die angeklagte 23-Jährige – hier ein Foto vom Prozessauftakt Ende November – hat ihr Gesicht vor Gericht hinter einem Aktenordner versteckt. Foto: dpa

Eine 23-Jährige, die im Mai ihren Säugling in der Nähe eines Gehöfts in Mengen-Rulfingen im Landkreis Sigmaringen ablegte, muss lebenslang ins Gefängnis. Der Richter sagte in der Verhandlung, er habe noch nie einen Fall verhandelt, in dem ein Tötungsplan von so langer Hand vorbereitet worden sei.

Ravensburg - Mehrere Tage hat das Landgericht Ravensburg den Fall eines toten Säuglings verhandelt, der am 24. Mai nahe eines Gehöfts in Mengen-Rulfingen (Kreis Sigmaringen) aufgefunden wurde. Der Urteilsspruch am Montag Abend dauerte schließlich nur wenige Minuten. Die 23-jährige Mutter des Mädchens muss wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen lebenslang ins Gefängnis. Es gebe keinerlei strafmildernde Umstände, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Maier. „Die Angeklagte war voll schuldfähig.“ Gleich zu Beginn der Verhandlung hatte die 23-Jährige eingeräumt, ihr Kind auf der Heimfahrt von einem Urlaub in Österreich zurück an ihren Wohnort im Kreis Konstanz am Straßenrand geboren und dort zurückgelassen zu haben. Dem Kind habe sie ein zusammengedrehtes Stück Küchenpapier in den Mund gesteckt, um es am Schreien zu hindern, den Tod habe sie aber nicht gewollt. Vielmehr sei sie von den Wehen überrascht worden, habe zudem befürchtet, ihr Freund, der im Auto am Straßenrand wartete und der kein Kind gewollt habe, könne sie verlassen. Deshalb habe sie auch die Schwangerschaft verheimlicht.

Das Kind passte nicht in die Lebensplanung, sagt der Richter

Das Gericht glaubte dieser Darstellung nicht. Vielmehr, sagte der Richter, habe die Frau durch das Kind ihre „Lebensplanung“, in der der Freund, ein neu angeschaffter Hund und die gemeinsame Leidenschaft fürs Auto-Tuning wichtig waren, gefährdet gesehen. „Das Kind war ein Störfaktor. Es musste weg“, sagte der Richter Maier. Noch nie habe er einen Fall verhandelt, in dem ein Tötungsplan von so langer Hand vorbereitet und dann kalt umgesetzt worden sei. Das Neugeborene sei „auf elende, grausame Weise“ gestorben. Der Propf aus Küchenpapier sei acht Zentimeter lang gewesen und in den Rachen des Mädchens „gestopft“ worden. Der aussichtslose Überlebenskampf des Säuglings habe mehrere Minuten gedauert.

In seinem Gutachten hatte der vom Gericht bestellte psychiatrische Gutachter Hermann Assfalg vom Zentrum für Psychiatrie in Weissenau der Angeklagten zum Ende der Beweisaufnahme volle Schuldfähigkeit attestiert. Zwar sei die Frau durch ihre Schwangerschaft und die Angst vor Aufdeckung in ihren Fähigkeiten zeitweise eingeschränkt gewesen. Aber von einem „wahnhaften, irrealen Erleben“ als Folge etwa einer Depression oder einer Persönlichkeitsstörung könne nicht die Rede sein. Das gelte auch für den Tatabend. „Sie hat die Situation aktiv gestaltet.“ Die Polizei war durch das veröffentlichte Foto einer am Tatort zurückgelassenen kurzen Jeans auf die Spur der Frau gekommen.

Der Oberstaatsanwalt kündigt an, auch gegen den Freund vorzugehen

Die Verteidigerin der Angeklagten hatte auf eine Haftstrafe von vier Jahren wegen Totschlags in einem minderschweren Fall plädiert. Dass ihre Mandantin befürchtet habe, wegen des Kindes ihren Freund zu verlieren, könne nicht Grundlage für ein Mordurteil sein. Verlustangst sei „kein niedriger Beweggrund“. Das Urteil bestätigte den Strafantrag der Ravensburger Staatsanwaltschaft. Für die Anklage ist der Fall damit aber nicht erledigt. In seinem Plädoyer kündigte der Oberstaatsanwalt Matthias Inselsberger an, nun auch gegen den Freund der 23-Jährigen vorgehen zu wollen. „Die Anklage kommt noch“, sagt Inselsberger. Nach seiner Überzeugung habe der Mann spätestens seit April von der Schwangerschaft seiner Freundin gewusst und geholfen, die Tat zu vertuschen.