Der Stamm eines Baumes steckt an der Bahnstrecke bei Pegnitz (Bayern) in einem zerstörten Triebwagen des Regionalexpresses Bayreuth-Nürnberg. Der Zug war in einen Baum gefahren, der zuvor durch Windböen des Sturmtiefs "Niklas" umgeworfen worden war. Foto: Nordbayerischer Kurier/dpa

Sturmtief "Niklas" ist am Dienstag über Deutschland gefegt und hat sich zum Orkan gesteigert. Laut Experten ist er einer der stärksten Stürme der vergangenen Jahre. In Bayern stellte die Bahn den kompletten Fernverkehr ein, außerdem sind die ersten Todesopfer zu beklagen.

Montabaur/Groß Santersleben/München - Ein vom Sturm „Niklas“ umgestürzter Baum hat in Rheinland-Pfalz zwei Menschen erschlagen. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, fiel der Baum bei Montabaur im Westerwald auf ein Dienstfahrzeug der Straßenmeisterei. Rettungskräfte konnten die beiden Männer nur noch tot aus dem Wrack auf einer Landstraße bergen. Damit stieg die Zahl der Sturmtoten auf drei, denn in Sachsen-Anhalt war bereits ein Mann durch den Sturm getötet worden. Der Hausbesitzer aus Groß Santersleben wurde vor seiner Haustür unter einer umstürzenden Betonmauer begraben, wie ein Polizeisprecher am Dienstag in Haldensleben sagte.

Ersten Zeugenaussagen zufolge habe der Mann bemerkt, dass die Mauer wegen des Sturms zu schwanken begonnen habe, teilte die Polizei mit. Daraufhin solle er versucht haben, sich gegen die Mauer zu stemmen, die jedoch einstürzte. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen. Die Angehörigen wurden von Notfallseelsorgern betreut. Zum Alter des Mannes lagen zunächst keine Angaben vor.

Die Haupthalle des Münchner Hauptbahnhofs ist derweil wegen Orkanschäden geräumt worden. Ein Sprecher der Bundespolizei bestätigte einen entsprechenden Bericht des Bayerischen Rundfunks. Dachfenster hätten sich durch den Sturm verschoben und drohten herabzustürzen. Es finde kein Zugverkehr mehr statt.

Die Deutsche Bahn hatte zuvor den Fernverkehr in Bayern wegen des Sturmtiefs „Niklas“ komplett eingestellt. Zudem komme es im Regionalverkehr zu massiven Einschränkungen, teilte die Bahn am Dienstagnachmittag mit. Mehrere Verbindungen seien wegen umgestürzter Bäume vorübergehend gesperrt.

Im gesamten Regionalverkehr gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen, wie es weiter hieß. Die Münchner S-Bahn verkehrt derzeit nur noch auf zwei Linien. Zuvor hatte die Bahn bereits den Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen vorübergehend gestoppt. Auch viele Fernzüge im bevölkerungsreichsten Bundesland fielen aus.

"Niklas" fegt über Baden-Württemberg. Hier geht es zum Live-Ticker.

Regionalzüge und S-Bahnen blieben in den Bahnhöfen stehen. Im Fernverkehr fuhren nur einzelne Züge. Tausende Reisende und Pendler saßen fest. Es sei einer der stärksten Stürme der vergangenen Jahre, sagte Meteorologe Lars Kirchhübel vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

S-Bahnen und Regionalzüge in NRW stehen still

Der Wetterdienst gab Unwetterwarnungen für große Teile Deutschlands heraus. Der Sturm könne Bäume entwurzeln, Gegenstände durch die Luft wirbeln und schwere Schäden an Gebäuden verursachen. Besonders betroffen waren zunächst Teile von Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Das Tief zieht von Westen her über das Land.

In der Nacht wurden nach Angaben des DWD Windgeschwindigkeiten von bis zu 99 Kilometern pro Stunde in Aachen und 94 Kilometern pro Stunde in Wuppertal gemessen, auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, erreichte "Niklas" sogar eine Spitzengeschwindigkeit von 169 Kilometern pro Stunde.

In Nordrhein-Westfalen sollen die Regionalzüge und S-Bahnen der Deutschen Bahn den ganzen Tag stillstehen. "Wir hoffen den Nahverkehr mit Betriebsbeginn am Mittwoch wieder aufnehmen zu können", sagte eine Bahnsprecherin in Düsseldorf. Das hänge aber von der weiteren Entwicklung des Sturms ab.

Das Ruhrgebiet war vom Bahnverkehr weitgehend abgeschnitten. Der Fernverkehr von Dortmund über Essen und Düsseldorf nach Köln war komplett gestört. Bäume lagen auf den Gleisen, Äste hingen in Oberleitungen, einzelne Streckenabschnitte waren komplett ohne Strom.

Im Fernverkehr fuhren zunächst einzelne Züge zwischen Hamm und Berlin sowie südlich von Köln. Die Strecke von Dortmund über Wuppertal nach Köln konnte im Laufe des Vormittags für einzelne Fernverkehrszüge wieder freigegeben werden. 

Zugausfälle zwischen München und Stuttgart

Auch in Bayern kam es wegen des Unwetters zu Verspätungen und Zugausfällen im Regional- und ICE-Verkehr. Davon war besonders die Fernstrecke zwischen München und Stuttgart betroffen.

Probleme meldete auch Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt. Bereits seit dem Morgen kam es zu Verspätungen, am Mittag sprach der Betreiber Fraport von rund 40 ausgefallenen Starts und Landungen.

Vielerorts waren Polizei und Feuerwehr im Einsatz, um umgestürzte Bäume von Autobahnen und Bundesstraßen zu räumen. Im Frankfurter Bahnhofsviertel stürzte ein 15 Meter hohes Baugerüst auf vier parkende Autos, verletzt wurde niemand, wie die Feuerwehr mitteilte.

Auch in Rheinland-Pfalz und im Saarland knickte "Niklas" Bäume und Strommasten um. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sagte: "Kaum ist der eine Baum aufgeräumt, stürzt der nächste um."

In mehreren Bundesländern öffneten Freizeitparks und Zoos wegen des Orkans vorsorglich nicht. In Hamburg blieb der Dom, der traditionelle Jahrmarkt, geschlossen. Die Feuerwehr in München sperrte wegen des Orkans den Viktualienmarkt.

Die Stärke von "Niklas" komme nicht an "Wiebke" und "Vivian" heran, die Anfang 1990 verheerende Schäden anrichteten, sagte der DWD-Meteorologe Kirchhübel. Und auch Orkan "Christian" am 28. Oktober 2013 sei mit Böen bis zu 172 Kilometern pro Stunde an der Küste stärker gewesen.

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