Auch Mann darf sich in Sachen Unterwäsche etwas trauen: Feinripp war gestern. Foto: dpa

Baumwolle und Feinripp – das war gestern. Eine kleine Manufaktur in der Nähe von Chemnitz fertigt Unterwäsche für Männer, denen ein einfacher Slip zu langweilig ist. Auch andere Wäschehersteller müssen umdenken.

Mühlau - Draußen passt der gut gepflegte Vorgarten perfekt zu dem idyllischen kleinen Ort. Drinnen bekommt das Bild vom traditionellen Familienbetrieb einen Riss. Die Ware gibt es wahlweise in Neonpink, im Lederlook oder in Netzoptik, vor allem ist sie aber immer hauteng. Die Wonneberger Manufaktur aus Mühlau bei Chemnitz hat sich auf erotische Unterwäsche für Männer spezialisiert.

Vom klitzekleinen String-Tanga, der gerade so des Mannes bestes Stück verhüllt - oder in Szene setzt - bis zum Ganzkörperanzug aus glänzendem Lackstoff mit Netzeinsätzen: Die 15 Mitarbeiterinnen im Nähsaal des Textilunternehmens nehmen die neuesten Kreationen von Claudia und Jörn Wonneberger mit Humor und Neugierde. „Klar wird mal der ein oder andere Witz gerissen oder ein Männerteil übergezogen. Aber verschämt zur Seite dreht sich hier niemand“, meint der Chef.

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Der 38-Jährige und seine Frau haben Textil- und Modedesign an der Westsächsischen Hochschule Zwickau studiert. Unterwäsche, zumal im Fetisch-Bereich, hatte das Paar da noch nicht auf dem Schirm. Den Anfang machten sie in Dresden mit einem Label für schicke Outdoor-Kleidung in grellen Neonfarben, damit Radfahrer, Jogger oder Kinder an trüben Tagen im Straßenverkehr gut sichtbar sind.

Dann kam vor vier Jahren das Angebot, den Textilbetrieb in Mühlau zu übernehmen. „Es war Liebe auf den ersten Blick - von beiden Seiten“, sagt die 32-Jährige. Der damalige Eigentümer Hermann Kutzschbach war mit über 70 Jahren auf der Suche nach einem Nachfolger. Er hatte das Unternehmen 1981 neu aufgebaut, nachdem der 100 Jahre zuvor als Handschuhmacherei gegründete Betrieb zur DDR-Zeit enteignet worden war.

Bestellungen aus dem gesamten Bundesgebiet

Unterwäsche hatte Kutzschbach bereits erfolgreich im Programm - und längst nicht nur brave Baumwollschlüpfer, wie Jörn Wonneberger erklärt. „Man hat ihm definitiv nicht angesehen, dass er auch aufknöpfbare Strings herstellt.“ Dieser Bereich sei ein starkes Standbein des kleinen Mittelständlers gewesen, wenn auch den meisten Mühlauern weitgehend unbekannt.

Mit ihrer Marke „Wojoer“ - ein Wortspiel aus Wonneberger und Voyeur - hält das Unternehmerpaar nicht mehr so hinter dem Berg. In einem Fenster auf der ersten Etage zeigt eine Schaufensterpuppe im Lackanzug schon von draußen, wohin die Reise geht.

Die neueste Entwicklung: Ein Herrenrock mit Suspensorium, der sich hauteng an die natürlichen Formen anlegt. Zwei Kunstlederriemen sorgen für einen Push-up-Effekt an der entscheidenden Stelle. „Das ist natürlich etwas für Mutige, aber auch Männer werden beim Thema Unterwäsche immer experimentierfreudiger“, meint die Designerin.

Die größte Resonanz habe man bei Männern Ü40 und Ü50. Bestellungen kämen aus dem gesamten Bundesgebiet - vom kleinen Dorf bis zur hippen Hauptstadt. Jedes fünfte Fabrikat gehe ins Ausland, vor allem in die USA, Kanada und die Niederlande.

Deutschlands Wäsche-Hochburg bleibt der Südwesten

Laut Gesamtmasche, dem Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie, ist Deutschland weltweit der fünfgrößte Wäschemarkt. „Allerdings sinkt die Zahlungsbereitschaft“, sagt Verbandsgeschäftsführerin Silvia Jungbauer. Während die Umsätze stagnierten, ginge gleichzeitig die Zahl der verkauften Teile nach oben. Bei den Männern waren es im vergangenen Jahr rund 178 Millionen Stück, bei den Frauen 274 Millionen. Zusammen kam die deutsche Wäschebranche 2018 auf rund 4 Milliarden Euro Umsatz.

„Sich in der Nische zu etablieren, ist eine Chance dem Preisverfall entgegenzuwirken und die Produktion in Deutschland zu halten“, ist Jungbauer überzeugt. Gleichzeitig gebe auch der Trend zu mehr Nachhaltigkeit dem Prädikat „Made in Germany“ einen Schub. Deutschlands Wäsche-Hochburg bleibt demnach der Südwesten, wo Traditionsfirmen wie Triumph, Mey oder Schiesser ihren Sitz haben.

In der ostdeutschen Textilbranche mit derzeit 16.000 Beschäftigten gibt es laut Branchenverband vti aktuell acht Wäschehersteller. „Deutsche Bodywear-Hersteller sind im globalen Preiswettbewerb chancenlos“, sagt vti-Geschäftsführer Jenz Otto. Als Mittelständler müssten sie sich daher spezielle Marktsegmente wie Funktionskleidung oder ausgefallene Designer-Wäsche erschließen.

Zu den bekannteren Wäscheherstellern aus Sachsen gehört Bruno Banani. Allerdings stellt das Unternehmen seine Fertigung von Herrenwäsche und Bademode in Chemnitz zum Jahresende ein. Die Wonnebergers hingegen setzen bewusst auf das kleine Mühlau als Produktionsstandort. Dafür haben sie Dresden hinter sich gelassen und leben nun auch mit ihren beiden Töchtern in der ländlichen Idylle.