Ursula von der Leyen ist zurück aus Brüssel – um vor dem Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre auszusagen. Foto: AFP

Der Untersuchungsausschuss vernimmt die frühere Verteidigungsministerin, die Fehler bedauert und auch einige widersprüchliche Aussagen macht. Manche Antwort hinterlässt ein Fragezeichen.

Berlin - Sie ist wieder da. „Ich heiße Dr. Ursula von der Leyen“, sagt die 61-Jährige im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestags: „Ich bin Präsidentin der Europäischen Kommission, Dienstsitz ist das Berlaymont, Rue de la Loi 200, Brüssel.“ Die frühere Verteidigungsministerin, im Sommer überraschend von den Staats- und Regierungschefs für Europas Topjob nominiert, und bespielt eine noch größere Bühne.

Am Dienstag hat sie dem EU-Parlament die Verhandlungslinie gegenüber Brexit-Großbritannien dargelegt, am Mittwoch das nächste Milliardenbudget der Gemeinschaft. An diesem grauen Berliner Donnerstag aber wird sie von der Vergangenheit eingeholt. Im Saal 3.101 mit Blick auf die Spree wird sie in der Berateraffäre vernommen.

Es ist die letzte Sitzung des Verteidigungsausschusses in seiner Eigenschaft als Untersuchungsausschuss. Im Laufe eines guten Jahres haben die Abgeordneten mehr als 40 Vernehmungen durchgeführt, nicht weniger als 4000 vom Verteidigungsministerium herausgegebene Akten gewälzt. Der Vorwurf der Vetternwirtschaft steht im Raum, es soll Verstöße gegen das Haushaltsrecht und EU-Vergaberecht gegeben haben, weil externe Berater Aufträge zugeschanzt bekamen. Die Zeugin zeichnet in ihrer Eingangserklärung erst einmal das ganz große Bild, in dem ihre eigenen Versäumnisse kleiner wirken sollen.

Von der Leyen: Bundeswehr musste neu aufgebaut werden

Von der Leyen berichtet also davon, wie sie bei Amtsantritt im Dezember 2013 eine über lange Zeit geschrumpfte Bundeswehr vorfand, die in der Folge mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert war. Die Krim wurde annektiert, der Nato-Gipfel in Wales beschloss eine aktivere Strategie gegenüber Russland, die Terrormiliz Islamischer Staat tauchte ebenso auf wie das Ebolavirus in Afrika. „Wir brauchten Hilfe von außen“, berichtet die frühere Ministerin mit Blick auf die Beratungsleistungen im Umfang mehrerer Hundert Millionen Euro, um Neuausrichtung und Vergrößerung der Truppe organisatorisch zu stemmen. „Es ist viel, viel Gutes geleistet worden“, betont sie, „umso bedauerlicher ist es, dass dabei Fehler gemacht worden sind.“

Um die aber geht es. Und um die Verantwortung der Ministerin oder das, was sie wann über die Missstände im eigenen Haus gewusst hat. Von der Leyen sieht die Ursache dafür unter anderem in dessen schierer Größe. 10 000 Verträge würden pro Jahr im Geschäftsbereich der Bundeswehr neu geschlossen – gemessen daran soll die Zahl der problematischen Verträge offenbar kleiner wirken. Ebenso bewege sich der Anteil externer Berater an den 60 000 Zivilbeschäftigten „im Promillebereich“. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe sie, von der Leyen, Konsequenzen gezogen, personeller Art, aber auch so, dass Beamte im Vergaberecht „nachgeschult“ worden seien.

Auch Staatssekretärin Katrin Suder wird entlastet

Wie überhaupt die Kommissionschefin als Verteidigungsministerin von nichts gewusst haben will. Als ihr ein Aktenvermerk zu einem der windigen Geschäfte vorgelegt wird, zitiert sie das Kürzel der Abteilung und sagt: „Insofern war das weit unter meiner Ebene.“ Auch die 2014 vom Beratungsunternehmen McKinsey geholte Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder, die wegen freundschaftlicher Kontakte zu später engagierten Beratern im Zentrum der Affäre steht, nimmt von der Leyen in Schutz: „Die Fehler der Vergabe sind nicht auf ihrer Ebene gemacht worden.“

Der SPD-Abgeordnete Dennis Rohde und der Linke Matthias Höhn fragen mehrfach nach, ob die Ministerin schon vor dem Spätsommer 2018 etwas von fragwürdigen Verträgen wusste – die Antwort klingt ausweichend: Zu diesem Zeitpunkt sei es „das erste Mal, das ich mich damit beschäftigt habe“.

Warum wurde das Handy gelöscht?

Zudem räumt von der Leyen ein, dass es bei parlamentarischen Anfragen zu den Beratern nie ganz einfach gewesen ist, einen vollen Überblick zu geben. Zusammen klingt das nach einem Jein. Widersprüchliches tritt auch zutage, als es um ihre Handykommunikation geht. Dass am Ende nur ein leerer Dateiordner auf dem Handy übrig blieb, erklärt von der Leyen damit, dass das Verteidigungsministerium von allen Institutionen, in denen sie bisher gearbeitet hat, mit Abstand am meisten auf Papiervorlagen setzt. Über wichtige Entscheidungen sei nicht per SMS befunden worden.

Seltsam ist nur, dass sie trotz angeblich gewissenhafter Prüfung ihrer Kurznachrichten berichtet, Chatverläufe schon zuvor regelmäßig gelöscht zu haben. Private Handynutzer dürften sich darin wiedererkennen, bei einer Ministerin hinterlässt das zumindest ein Fragezeichen.