Ein Viertel der deutschen Urlauber bucht inzwischen online – Um seriöse Anbieter zu erkennen, müssen Kunden aber genau lesen. Foto: Philips/dpa/gms

Schnell und bequem von zu Hause aus lässt sich die Urlaubsreise übers Internet buchen. Das macht den Markt für Kunden genauso attraktiv wie für Betrüger. Ein Beispiel zeigt, wie Ferien 820 Euro kosten können, obwohl die Familie die Reise nie angetreten hat.

Sindelfingen - Palmen im Garten, nur ein paar Hundert Meter zum feinen Sandstrand, genug Platz für die drei Kinder und trotz Hauptsaison im August bezahlbar: Gudrun Stahlhut aus Sindelfingen ist froh, als sie im Januar dieses Angebot für ein Ferienhaus auf Elba im Internet entdeckt. Es ist nicht das erste Mal, dass die 47-Jährige online eine Reise bucht.

45 Prozent der Deutschen haben sich 2011 im Internet über eine Reise (ab fünf Tagen) informiert. 23 Prozent haben auch gebucht, meist eine Unterkunft (15 Prozent). Das sind mehr als doppelt so viele wie 2005 (Quelle: Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, FUR).

Die Seite der Agentur, die Ferienhäuser und Apartments auf Elba vermittelt, sieht für Gudrun Stahlhut seriös aus. Eine Frau lächelt ihr freundlich von einem Foto entgegen. Daneben steht der deutsch klingende Name der Geschäftsführerin, die von kompetenter Beratung auch durch deutsche Ansprechpartner schreibt. Mit einer Broschüre der Verbraucherzentralen zur sicheren Online-Buchung prüft Stahlhut, ob Steuernummer und Gerichtsstand im Impressum stehen. Das Ferienhaus besichtigt sie unter der angegebenen Adresse via Google Maps. „Alles sah so aus, wie in dem Angebot beschrieben“, sagt Stahlhut.

Auch in ihrem Reiseführer wird die Agentur als Empfehlung genannt. Um die Reservierung zu bestätigen, überweist Gudrun Stahlhut 600 Euro auf ein deutsches Konto. „Die Geschäftsführerin hat den Eingang gleich telefonisch bestätigt und uns sogar angeboten, auch noch Tickets für die Fähre zu buchen“, sagt Stahlhut. Weitere 220 Euro wechseln das Konto.

Vier Prozent haben Angst vor Datenmissbrauch

Bevor sie eine Reise online buchen, surfen die Deutschen durchschnittlich neun Stunden auf 13 unterschiedlichen Internetseiten. Wenn sie die Reise dann doch nicht buchen, liegt das bei sieben Prozent daran, dass die Zahlungsweise sie verunsichert, vier Prozent haben Angst vor Datenmissbrauch (Quelle: FUR 2011).

Inzwischen ist es Mai. Eigentlich müsste bei Familie Stahlhut langsam die Vorfreude auf den Elba-Urlaub einsetzen. Stattdessen beginnt der Ärger. „Weder die Buchungsbestätigung des Ferienhauses noch die Fährentickets wurden uns wie besprochen zugeschickt“, sagt Gudrun Stahlhut. Mehrfache Anrufe und E-Mails bei der bislang so freundlichen Geschäftsführerin der Reiseagentur bleiben unbeantwortet. Gudrun Stahlhut wählt die Nummer des Fähranbieters – auf den Namen der Familie waren keine Tickets gebucht worden.

Die Unruhe wächst, sie schaltet den Computer ein und tippt zum Namen der Agentur „Erfahrungsberichte“ in die Suchmaschine. Gleich der erste Treffer bringt sie auf ein Portal, dass unter dem Namen „die Abzocker“ nichts Gutes erahnen lässt. Stahlhut liest von Urlaubern, die vor bereits belegten Unterkünften standen, von Strafanzeigen gegen die Geschäftsführerin, von Reisenden, die so lange auf Elba in deren Büro in Portoferraio standen, bis sie ihr Geld zurückerhalten hatten.

Betrug ist mit einem Anteil von 45 Prozent die mit Abstand größte Straftatengruppe innerhalb der Internetkriminalität. Das Bundeskriminalamt erfasst jedoch nicht, in welchem Bereich – beispielsweise Reise – die Betrugstaten anfallen. 2011 sind die registrierten Schäden bei Internetkriminalität um 16 Prozent auf 71 Millionen Euro gestiegen.

Keine Hoffnung, das Geld wiederzusehen

Mit Mann und drei Kindern vor einem belegten Ferienhaus zu stehen, das ist Gudrun Stahlhut zu riskant. Sie schaltet den Anwalt ihrer Rechtsschutzversicherung ein, doch der macht ihr wenig Hoffnung, dass sie ihr Geld wiedersieht, denn die Agentur hat ihren Firmensitz nicht in Deutschland, sondern in Italien. „Ich bräuchte also einen italienischen Anwalt, der im Zweifelsfall vor ein italienisches Gericht gehen müsste, und diese Kosten trägt die Versicherung vermutlich nicht“, sagt Stahlhut. Also geht sie zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. „Auch wenn wir unserer Geld nicht wiedersehen, so hoffe ich doch, dass andere Urlauber so zumindest gewarnt werden.“

78 Prozent der Fälle, die beim Bundeskriminalamt unter Betrug laufen, sind 2011 aufgeklärt worden. Bei Betrugsfällen im Zusammenhang mit dem Internet waren es jedoch nur 27 Prozent.

Gudrun Stahlhut erfährt über ein weiteres Internetportal, dass die Polizei Lindau Betrugsfälle im Zusammenhangt mit ihrer Reiseagentur sammelt. In Lindau ging die erste Anzeige ein. Die zuständige Staatsanwaltschaft Kempten prüft derzeit, ob es sich um wenige Einzelfälle handelt oder ob System dahinter steckt.

Obwohl die Internetseite der Agentur Besucher weiterhin mit der Botschaft „Willkommen im Urlaub“ begrüßt, ist die Geschäftsführerin unter den angegebenen Kontaktdaten für eine Stellungnahme in unserer Zeitung nicht zu erreichen.

Die Stahlhuts sind im August nach Frankreich gereist. Ihre Unterkunft haben sie über ein Reisebüro gebucht. Auf die 820 Euro für die nicht angetretene Elba-Reise wartet die fünfköpfige Familie bis heute.

Betroffene, die ebenfalls Probleme mit einer Reiseagentur hatten, die über das Internet Ferienhäuser und Apartments auf Elba vermietet, können sich bei der Kriminalpolizei Lindau melden: Bernd Vaupel, 0 83 82 / 91 02 17.