Horst Seehofer hat Kanzlerin Angela Merkel ein Ultimatum für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise gesetzt. Foto: dpa

Der Flüchtlingsstreit zwischen CDU und CSU nimmt eine Dynamik an, die mittlerweile auch das Undenkbare möglich erscheinen lässt: den Bruch der Fraktionsgemeinschaft. Davon würden beide Parteien kaum profitieren, meint Matthias Schiermeyer.

Stuttgart - Ausgerechnet führende Sozialdemokraten, die vor Monaten noch den Irrsinn bei den Genossen begünstigt haben, rufen die Unionsparteien nun zur Ordnung: „Sind die völlig wahnsinnig?“, fragt etwa der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel. In der Tat nehmen die Dinge eine derartige Dynamik an, die auch das Undenkbare möglich erscheinen lässt: den Bruch der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU.

Das Motto „Bavaria first“ soll den Christsozialen die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl erhalten. Weil sich diese in den Umfragen aber nicht abzeichnet, drohen sich Seehofer, Söder, Dobrindt & Co. immer weiter in ihrem Machtspiel zu verheddern – weil sie den Ausweg nicht mehr erkennen. Unter dem Druck des bayerischen Ultimatums dürfte Angela Merkel vermutlich keine rasche europäische Lösung für die Zurückweisung von Flüchtlingen liefern. So könnte die CSU am Ende den Weg gehen wollen, den beispielsweise die italienische Lega (früher Lega Nord) gegangen ist: die Ausweitung auf das ganze Land.

Fataler Opportunismus in den CDU-Reihen

Mehr Nationalismus darf nicht die Antwort sein auf Probleme, die partnerschaftlich in Europa gelöst werden müssen. Besonders beunruhigend ist daher, wie sich das Gros der CDU-Abgeordneten verhält: Statt die CSU-Kollegen mit Überzeugungskraft auf ihren Irrweg hinzuweisen und zugleich ihrer Chefin den Rücken zu stärken, bleiben viele christdemokratische Fraktionsangehörige in der Deckung. Es könnte ja sein, dass sie am Ende auf der falschen Seite stehen – dies ist ein fataler Opportunismus, der Spielraum für eine weitere Eskalation eröffnet.

Beide Unionsparteien würden kaum davon profitieren, sollten sie bundesweit um Wählerstimmen konkurrieren. Insbesondere die im Freistaat verwurzelte CSU würde dadurch ihren Markenkern verlieren. Stärken würde dies aller Voraussicht nach nur die AfD – warum diese dem irrationalen Treiben in der Union in aller Gelassenheit zuschaut, ist leicht nachzuvollziehen.