Rettungsaktion am Montblanc: Auf 4250 Metern hat die französische Bergwacht die Leichen der beiden Deutschen gefunden. Foto: AFP

Der Montblanc ist laut Unfallstatistik der tödlichste Berg der Welt. Jetzt sind wieder zwei deutsche Alpinisten beim Besteigen von Europas höchstem Gipfel gestorben. Wir sprachen mit dem Bergführer und Montblanc-Spezialisten Jörn Heller über das Unglück.

Stuttgart/Chamonix - Am frühen Montagmorgen, den 8. August, waren die beiden Bergsteiger aus dem baden-württembergischen Ortenaukreis aufgebrochen, um den 4248 Meter hohen Montblanc du Tacul zu besteigen. Die schwierige Route über den Teufelsgrat ist den Männern aus dem Raum Lahr zum Verhängnis geworden. Am Dienstagabend hatten Rettungskräfte ihre Leichen auf 4250 Meter gefunden. Todesursache sei Unterkühlung, teilte die Hochgebirgs-Gendarmerie im französischen Chamonix mit.

Aufbruch auf 3613 Metern gegen zwei Uhr

Die beiden 40 und 50 Jahre alten Männer hatten die Cosmique-Hütte auf 3613 Metern am Montagmorgen gegen zwei Uhr verlassen. Zuletzt waren sie am Montag gegen 14 Uhr von anderen Bergsteigern gesichtet worden. Angehörige benachrichtigten am Dienstagabend die Bergwacht, weil sich die Bergsteiger nicht mehr gemeldet hatten.

Der Montblanc du Tacul befindet sich in den Savoyer Alpen in der Montblanc-Gruppe zwischen dem eigentlichen Montblanc und dem Aiguille du Midi. Die Talorte für Besteigungen des Gipfels sind Chamonix und Courmayeur. Die Erstbesteigung war am 8. August 1855. Der Teufelsgrat (Arete du Diable) ist eine der anspruchsvollsten Touren in den Alpen.

Tragödie am Montblanc

Schätzungsweise 6000 bis 8000 Tote am Montblanc

Jedes Jahr zieht es Zehntausende Bergsteiger und Wanderer in das Montblanc-Gebiet. Aufgrund der hohen Zahl an Besuchern wird, anders als bei den Achttausendern im Himalaja, keine offizielle jährliche Unfallstatistik geführt. 2014 starben am Montblanc binnen zwei Monaten 20.

Mit schätzungsweise 6000 bis 8000 tödlich verunglückten Bergsteigern führt der Montblanc die weltweite Berg-Unfallstatistik an. Wir sprachen mit dem Bergführer Jörn Heller, einem der besten Montblanc-Kenner über das Unglück und die Gefährlichkeit des höchsten Gipfels Europas.

Herr Heller, wie gefährlich ist Europas höchster Gipfel für Bergsteiger und Wanderer?
Der Montblanc ist ein sehr hoher Berg, der den Wetterbedingungen extrem ausgesetzt ist. Der Teufelsgrat am Mont Blanc du Tacul ist eine schwierige Route. Es ist hochalpines Klettern in Eis und Fels.
Immer wieder kommt es hier zu schweren Unglücken. Ist das auf mangelnde Erfahrung und Vorsicht zurückzuführen?
Der Montblanc ist ein Brennpunkt des Bergsteigens. Aus der ganzen Welt kommen die Menschen nach Chamonix. Es ist logisch, dass es im Verhältnis zu anderen Bergen weltweit hier so viele Unfälle gibt. Zum anderen wird der Montblanc stark unterschätzt, weil er technisch auf der Normalroute nicht besonders schwer ist. Angesichts der stark wechselnden Wetterbedingungen und der Höhe sind der Montblanc und der Montblanc du Tacul allerdings sehr anspruchsvolle Berge. Viele, die hinauf wollen, sind schlecht akklimatisiert und nehmen sich nicht die notwendige Zeit für die Gewöhnung an die Höhe.
Als die beiden deutschen Bergsteiger am Montagmorgen aufgebrochen, war das Wetter noch gut. Plötzlich schlug es um und es entwickelte sich ein Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde. Ist das typisch für die Montblanc-Region?
Das Unwetter ist nicht plötzlich hereingebrochen. Der Sturm war vorhergesagt worden. Ich habe meine eigenen Tourenveranstaltungen im Wallis abgesagt, weil klar war, dass zu Wochenbeginn das Wetter umschlägt und eine Front mit hohen Niederschlagsmengen und sinkenden Temperaturen aufzieht. Alle Wetterprognosen haben schon vor einer Woche konstant auf schlechtes Wetter hingewiesen.
Trotzdem sind die beiden Deutschen aufgebrochen. War das Leichtsinn oder Selbstüberschätzung?
Das weiß ich nicht. Ich möchte das auch nicht bewerten. Es ist ein tragischer Unfall. Aber Fakt ist: Die Wetterinformationen gab es. Den Montblanc und die Montblanc-Gruppe kenne ich besonders gut. Ich war schon über hundert Mal dort. Auch wenn viele behaupten, das sei ein Spaziergang: Der Montblanc hat ein so breites Anforderungsprofil wie nur wenige andere Berge in den Alpen.
Werden die Gefahren am Berg unterschätzt?
Das glaube ich schon. Respekt ist ein ganz wichtiges Kriterium im Alpinismus. Ich habe den Eindruck, dass mitunter dieser Respekt fehlt. Ein bisschen mehr Demut vor den Bergen könnte nicht schaden. Wenn so etwas wie jetzt geschieht, ist es einfach nur tragisch und schlimm. Aber natürlich sollten solche Unglücke immer eine Warnung sein.

Der Freiburger Jörn Heller gilt als Spezialist für den Montblanc

Der Freiburger Diplompädagoge ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, Guide de Haute Montagne und zertifizierter Sachverständiger für Alpinunfälle. Seit 23 Jahren arbeitet er als Bergführer. In den vergangenen 30 Jahren stand er mehr als hundert Mal auf dem Gipfel des Mount Blanc. Er gilt unter Alpinisten als Spezialist für das Dach Europas.