Gibt sich nach dem Entscheid des EU-Parlaments noch nicht geschlagen: Ungarns Premier Viktor Orban. Foto: dpa

Endlich signalisieren die Europäer, dass sie die Verstöße der ungarischen Regierung gegen demokratische Normen nicht länger hinnehmen wollen. Gut so, meint unser Kommentator Michael Weißenborn.

Stuttgart/Straßburg - Der Osten wird sicher nie wie der Westen sein. Zu tiefgreifend hat die kommunistische Diktatur dort alle Lebensbereiche durcheinander gepflügt. Und allzu oft auch fallen westliche Urteile uninformiert und unfair aus.

Trotzdem: Das Europa-Parlament konnte kaum anders, als – zum allerersten Mal – für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen das EU-Mitglied Ungarn zu stimmen. Zu lange schon hatte die EU über die offenkundigen rechtsstaatlichen Verstöße der Regierung Viktor Orbans hinweggesehen. Der Rechtspopulist, der 1989 als Mitzwanziger noch gegen „die Diktatur einer einzigen Partei“ kämpfte, hat sich längst aufgemacht, um aus Ungarn einen halbautoritären, ziemlich korrupten Staat zu formen. Darunter leidet niemand mehr als Ungarns Zivilgesellschaft. Seine anti-europäischen und nationalistischen Kampagnen dienen ihm zur Vernebelung der wahren Absichten. Sie sind doppelbödig dazu: Von Montag bis Freitag wettert er gegen die EU, nur um Samstags und Sonntags ihre Schecks einzulösen, wie das mal ein kluger Beobachter formulierte.

Nur: Nach dem harten Urteil der Parlamentarier in Straßburg wird Orban wohl kaum einlenken. Im Gegenteil. Er kämpft offen und im Verein mit anderen Anti-Europäern um mehr Macht für einen rechtspopulistischen Block bei den Europa-Wahlen 2019.

michael.weissenborn@stuttgarter-nachrichten.de