Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen findet sich im Bericht einer Expertenkommission der Regierung nur noch als Fußnote wieder. Foto: dpa

Eine von der Regierungskoalition eingesetzte Kommission mahnt zu schnellem Handeln im Verkehrsbereich, um das Klimaziel 2030 noch erreichen zu können. Wie die CO2-Lücke geschlossen werden soll, bleibt allerdings strittig.

Berlin - Dem Bericht der Verkehrs- und Klimaschutzexperten, der am Montag verabschiedet werden soll, kommt große Bedeutung zu. In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, dass die Runde eine Regierungsstrategie zur „Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“ erarbeiten soll. Von ihrem Urteil hängt somit ab, mit welchen Maßnahmen erreicht werden soll, dass der Verkehrssektor seinen Teil zum Klimaschutz beiträgt. Schließlich hat sich auch Deutschland mit Unterzeichnung des Pariser Weltklimaabkommens dazu verpflichtet, einen Beitrag zu leisten, damit die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt wird. Als Zwischenziel wurde in der EU vereinbart, die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 40 Prozent zu verringern.

Im Verkehrssektor sieht es in dieser Hinsicht besonders schlecht aus. Obwohl er zum Erreichen des Gesamtziels ebenfalls eine Reduktion um 40 bis 42 Prozent „bringen“ müsste, ist bisher ein gegenteiliger Effekt zu beobachten. Mehr internationale Arbeitsteilung, höherer Wohlstand oder mehr Flugreisen haben dazu geführt, dass im Jahr 2017 rund 167 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen wurden und damit sogar mehr als 1990, als es 163 Millionen Tonnen waren. „Somit hat sich der Handlungsdruck weiter erhöht“, heißt es im Entwurf des Abschlussberichts der „Nationalen Plattform – Zukunft der Mobilität“, der unserer Zeitung vorliegt. Viele Vorschläge in dieser „Rohfassung“ stehen noch in Klammern und geben „keinen abgestimmten Stand wieder“. Wichtige Erkenntnisse lassen sich dennoch bereits ableiten.

Sollen Elektro-LKW von der Maut ausgenommen werden?

„Klimaschädliche Verkehre verringern ohne Mobilität zu beschränken“, lautet die Devise – sind doch 4,4 Millionen Beschäftigte direkt in dem Sektor beschäftigt, der für elf Prozent der Wertschöpfung steht. Trotzdem fordert das 20-köpfige Gremium, das sich aus Vertretern verschiedenster Interessengruppen zusammensetzt, schnelles Handeln, „um negative ökonomische Konsequenzen zu verhindern“. Da sich nämlich abzeichnet, dass Deutschland in manchen Bereichen seine Klimaverpflichtungen bis 2020 nicht einhält, könnten anderen EU-Staaten für viel Geld Luftverschmutzungsrechte abgekauft werden müssen.

Sechs allgemeine Handlungsfelder hat die Gruppe identifiziert, um die CO2-Lücke zu schließen: Neue Antriebe, effiziente Fahrzeuge, regenerative Kraftstoffe, eine starke Verlagerung des Personenverkehrs weg vom Auto, beim Güterverkehr weg vom Lkw auf Schiene und Schiff sowie die Digitalisierung der Mobilität insgesamt.

Einig ist man sich beim Antriebswechsel Richtung E-Mobilität, dass staatliche Förderprogramme wie der Umweltbonus fortgeführt und deutlich mehr Ladesäulen errichtet werden müssen, um den Umstieg attraktiv zu machen. Strittig sind dagegen Vorschläge, Elektro-Lkw von der Maut auszunehmen oder E-Autos weitgehend von der KfZ-Steuer zu befreien. Die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe wird nach Ansicht der Runde noch nicht ausreichend gefördert – die Idee der Autoindustrie, allein die Einführung des künstlichen Sprits auf den CO2-Flottenverbrauch der jeweiligen Hersteller anzurechnen, fand zumindest bisher noch keine Mehrheit.

Eine generelles Tempolimit will der Verkehrsminister nicht

Wenn der Verkehr flüssig läuft und nicht ständig abgebremst und wieder angefahren werden muss, wird weniger Sprit verbraucht und damit auch weniger klimaschädliches Abgas produziert. Das bestreitet niemand, doch ist der Vorschlag eines generellen Tempolimits, der in einer früheren Fassung des Berichts als eine der diskutierten Möglichkeiten auftauchte, inzwischen zur Fußnote Nummer 29 degradiert worden. „Aus Sicht einzelner Mitglieder“, heißt es dort mit Verweis auf die Umweltorganisation BUND, „kann auf Autobahnen eine Harmonisierung der gefahrenen Geschwindigkeiten und damit ein verbesserter Verkehrsfluss mittels einer generellen Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit erreicht werden“. Dafür sollen nun stattdessen intelligente Verkehrsleitsysteme sorgen.

Weil sich Andreas Scheuer (CSU) zwischenzeitlich empört hatte, dass sich ein Tempolimit „gegen jeden Menschenverstand“ richte, werfen die Grünen dem Bundesverkehrsminister vor, die Expertenrunde in seinem Zuständigkeitsbereich beeinflusst zu haben. „Der Verkehrsminister und sein Ministerium sind destruktiv und sollten sich aus der Arbeit der Kommission heraushalten“, sagt der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer: „Es darf keine Denkverbote geben und alle Maßnahmen müssen auf dem Tisch.“

Der Staat muss viel Geld in die Hand nehmen

Bei allem Streit zwischen Umweltverbänden und Industrievertretern gibt es in dem Gremium immerhin eine „vergleichsweise hohe Zustimmung“, dass der Staat eine Menge Geld in die Hand nehmen muss, um 2030 das Klimaziel im Verkehrssektor zu erreichen. Allein die Forderung nach Umsetzung eines „Deutschland-Takts“ im Personenverkehr der Bahn erfordert Milliardeninvestitionen in neue Strecken und Züge. Zwei Milliarden Euro im Jahr soll der Bund den Kommunen zuschießen, damit sie billigere Nahverkehrstickets anbieten können. Neue und technisch aufgerüstete Güterverkehrstrassen sind ebenfalls nicht umsonst zu haben. Vom automatisierten Fahren der Zukunft erwarten die Experten ebenfalls einen positiven Klimaeffekt – Voraussetzung ist aber ein umfassender Netzausbau.

Dem Berichtsentwurf ist jedoch zu entnehmen, dass die prognostizierte Kohlendioxid-Sparlücke mit diesem Investitionsbündel nur zu etwa einem Drittel geschlossen werden kann. Einige der zusätzlichen Ideen, über die es noch keinerlei Einvernehmen gibt, würden vor allem die Autofahrer treffen: So wird über eine Abgleichung der Steuern auf Benzin und Diesel ebenso diskutiert wie über einen Aufschlag auf den Preis eines Neuwagens, wenn dieser sehr viel CO2 ausstößt. In der Debatte ist auch eine fixe Quote für Elektroautos.