Die Regierung knöpft sich aus Klimagründen private Flüge vor. Foto: IMAGO/Andreas Haas/IMAGO/Andreas Haas / imago images

Nutzer des sozialen Netzwerkes Twitter verfolgen die Flüge von reichen Franzosen. Die Regierung knöpft sich aus Klimagründen nun die Inhaber vor. Die EU-Transportminister sollen eine europaweite Lösung finden.

Die brandneuen Twitterkonten heißen „I Fly Bernard“ oder „L’avion de Bernard“ und werden von Zehntausenden verfolgt. Ihr unfreiwilliger Star ist Bernard Arnault, Gründer und Vorsteher des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH (Louis Vuitton, Kenzo, Dior oder Tiffany). Die Konten betätigen sich nach amerikanischem Vorbild als „flight trackers“: Sie spüren die Flugbewegungen von Arnaults Privatjet und anderen französischen Unternehmern auf.

Jet fliegt innerhalb von London

Ihr Ziel ist es, den CO2-Verbrauch der Düsenmaschinen namens Falcon oder Global Express (Listenpreis 40 Millionen Dollar) anzuprangern. Arnaults Jet soll allein im Mai auf 18 Flügen insgesamt 176 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen haben. Das wäre etwa so viel CO2, wie durchschnittliche EU-Bürger in knapp zwanzig Jahren ausstoßen. Die Flüge führten etwa von Paris über Nizza nach Palermo. Ein anderer dauerte sogar nur zehn Minuten: von West- nach Ostlondon.

Zwischen Paris und Brüssel flog die Maschine seit 2020 fünfzehn Mal. Dabei zirkuliert auf dieser Strecke ein blitzschneller und bequemer TGV in nur 80 Minuten. Generell stößt die Eisenbahn pro Passagier 50-mal weniger CO2 aus als ein Privatjet. Selbst ein Linienflug belastet das Klima pro Kopf zehnmal weniger als ein kleiner Businessflieger.

Diese Zahlen entnehmen die Twitterkonten offiziellen Angaben der französischen Zivilluftfahrt und der privaten europäischen Umweltorganisation „Transport&Environment“. Sie treten damit auch dem Vorwurf entgegen, sie missachteten die Privatsphäre der Jeteigentümer. „Wir folgen dem Flugzeug, nicht Bernard“, sagen die Accountbetreuer. Ein anderes Konto publiziert Flugnummern von Jets anderer Industrieller wie Martin Bouygues oder Vincent Bolloré.

Dürfen die Daten überhaupt veröffentlicht werden?

Der Digitaljurist Guillaume Champeau warnt vor Rechtsfolgen: „Nur weil man über Privatdaten verfügt, gibt das nicht das Recht, sie zu verbreiten.“ In den USA hat der Rapper Drake oder die Influencerin Kylie Jenner die Löschung solcher flight trackers verlangt; der Unternehmer Elon Musk hat „seinem“ Verfolger dafür wohl 5000 Dollar angeboten.

In Frankreich wird die Debatte politisch geführt. Grünenchef Julien Bayou sagte, es sei „an der Zeit, Privatjets zu unterbinden“. Im Herbst werde er in der Nationalversammlung in Paris einen entsprechenden Vorstoß einbringen. Auch Manon Aubry von der Linkspartei der „insoumis“ (Unbeugsame) twitterte: „Natürlich müssen wir die Privatjets verbieten. Wir haben einen Sommer des Klimachaos‘ mit Dürre, Waldbränden und Überschwemmungen. Allen Franzosen werden Anstrengungen abverlangt – doch eine Minderheit von Ultrareichen soll weiterhin straflos verschmutzen dürfen?“

Neid oder Umweltverschmutzung?

Die Aktivistin Rym Khadhraoui ätzt wiederum sarkastisch: „Das Privatjet-Verbot schockiert viele, dabei ist es doch ein guter Kompromiss zur Guillotine!“ Aus den Internetforen kommt das Echo, die Attacken auf die „Milliardäre“ und „Superreichen“ seien „populistisch“ und schüre eine Neiddebatte.

In die hitzige Debatte schalten sich nun Vertreter der französischen Regierung ein. Transportminister Clément Beaune erklärte, alle Bürger müssten Verzicht üben, und ergänzte: „Ich denke, wir müssen handeln und die Privatjet-Flüge regulieren.“ Mitarbeiter präzisieren, am wirksamsten sei zweifellos ein neues Regelwerk auf europäischer Ebene. Es gehe nicht um ein Verbot der Geschäftsflugzeuge; denkbar seien Selbstbeschränkungen oder Abgaben auf die Flüge.

Auch Regierungssprecher Olivier Véran lädt die europäischen Transportminister ein, sich bei ihrer nächsten Tagung im Oktober des Themas anzunehmen. Das Twitterkonto „I Fly Bernard“ kontert mit einem Privatjet-Hüpfer der französischen Konzerngründerfamilie Pinault zwischen den Karibikinseln Martinique und Saint-Vincent – wohl kaum ein Geschäftsflug. Der Jet der Hauptzielscheibe Bernard Arnault verzeichnete jedoch diesen Sommer keine Bewegung.