Jürgen Resch von der Umwelthilfe hat wieder einmal vor Gericht ein Fahrverbot durchgesetzt. Foto: dpa

Die Deutsche Umwelthilfe setzt sich erneut mit einer Klage gegen einen Luftreinhalteplan durch. Die von der Bundesregierung initiierte Aufweichung des Grenzwertes beeindruckt die höchsten Richter des Landes nicht.

Reutlingen/Mannheim - Auch Reutlingens Dieselfahrer müssen sich auf Fahrverbote einstellen. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat am Dienstag einer entsprechenden Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stattgegeben. Die bisher vom Land und der Stadt Reutlingen vorgesehenen Maßnahmen reichten nicht aus, um den EU-weiten Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) im Stadtgebiet schnellstmöglich einzuhalten, erklärten die Mannheimer Richter. Deshalb müsse in den Luftreinhalteplan auch ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge aufgenommen werden, heißt es in einer Mitteilung des VGH. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls ließ das Gericht eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. (10 S 1977/18)

Zehntausende Dieselfahrer sind betroffen

Der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sprach gegenüber unserer Zeitung von einem „Paukenschlag“. Die Mannheimer Richter hätten klar gestellt, dass der NO2-Grenzwert weiterhin bei 40 und nicht bei 50 Mikrogramm liege. In der vergangenen Woche hatte der Bundestag eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) verabschiedet. Darin wird der EU-weite Grenzwert aufgeweicht. Erst bei höheren Überschreitungen um mehr als 10 Mikrogramm seien Fahrverbote verhältnismäßig. Diese Änderung sei zwar noch nicht in Kraft, dennoch werde man sie im Urteil berücksichtigen, hatte das Gericht versichert. Dennoch entschied es nun für Dieselfahrverbote. Spätestens zum 1. September sei die Einhaltung des NO2-Grenzwertes sicher zu stellen.

Manche Maßnahmen sind bloße „Esoterik“

Der Versuch der Bundesregierung, den geltenden Grenzwert zu verwässern, sei gescheitert, kommentierte der grüne Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel. Helfen würde nur eine andere Verkehrspolitik. In der mündlichen Verhandlung hatte die Baubürgermeisterin Ulrike Hotz (parteilos) zahlreiche Vorhaben vorgestellt, um den gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Verkehrs entgegenzuwirken. So soll die Parkraumbewirtschaftung ausgebaut und ein neues Stadtbussystem installiertwerden. Zudem würden neue Radwege gebaut. „Wir begrüßen viele dieser Maßnahmen“, sagte Resch. Einige lehne die DUH aber auch ab. „Die Autos mit einem weißen Strich einen Meter vom Fahrbahnrand und den Messgeräten wegzurücken, ist nichts als Esoterik“, sagte Resch.

Er forderte die Landesregierung auf, das Urteil zu akzeptieren, auf eine ohnehin aussichtslose Revision zu verzichten und stattdessen endlich die eigentlichen Verursacher des Problems ins Boot zu holen. „Das Land muss die Automobilindustrie dazu verpflichten, allen betroffenen Fahrzeughaltern einen Werkstatttermin zu geben, um dort kostenlos eine Reparatur der nicht funktionierenden Abgassysteme vorzunehmen“, sagte Resch. Nur so könnten die Fahrverbote auf Null gefahren werden. Ansonsten drohten weitere juristische Niederlagen. Auch eine Ausweitung des Fahrverbots in Stuttgart auf Diesel der Schadstoffklasse 5 sei sonst unumgänglich.

Weitere Städte zittern

Das beim Luftreinhalteplan federführende Regierungspräsidium ließ offen, ob Revision eingelegt werde. Man wolle weiterhin Fahrverbote verhindern, sagte der Sprecher Dirk Abel. In der Presseerkärung des Gerichts seien sie erwähnt, nicht aber im Urteilstenor, der den Parteien mitgeteilt wurde. „Wir müssen jetzt die ausführliche Urteilsbegründung abwarten.“ Allein in Reutlingen gibt es laut Stadt 17 000 Dieselfahrer.

Bundesweit hat die DUH 35 Kommunen verklagt. In Baden-Württemberg stehen noch Verfahren gegen Heilbronn, Marbach, Ludwigsburg, Backnang, Esslingen und Freiburg aus.