Eine Sandinsel im Bodensee – gebildet hat sie sich aus Ablagerungen nach der Mündung des Alpenrheins Foto: dpa

Den Kampf gegen den Eintrag von Phosphor im Bodensee hat die Gewässerschutzkommission IGKB gewonnen. Jetzt geht es ihr um die zunehmende Erwärmung des Sees.

Bad Schachen - Zum 60. Geburtstag der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) haben die Anrainerstaaten Deutschland, die Schweiz und Österreich am Montag die Presse zu einer doppelten Bootspartie eingeladen: von Bad Schachen aus startete das Forschungsschiff Kormoran, um zu demonstrieren, wie Wissenschaftler im Auftrag der IGKB vom Boden des Sees Sedimentproben in Rohren nehmen, mit Netzen Plankton fischen und mit einem Tauchgerät Wasserproben aus verschiedenen Tiefen entnehmen.

Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) und Gesandte aus den Nachbarländern beobachteten das von Bord der Schweizer Motorjacht Emily aus, wo Harald Hetzenauer, Chef des Instituts für Wasserforschung Langenargen, ein Rohr mit hunderten von feinen Schlammschichten auf den Kajütentisch legte: „Diese Sedimente sind wie ein Archiv des Sees, darin können Sie blättern wie in einem Buch“, sagte Hetzenauer. Bis 1817 reichte die älteste Schicht der aus 170 Meter Tiefe stammenden Probe. Das Atomunfalljahr 1986 von Tschernobyl mit seinen hohen Cäsiumgehalten oder das Jahrhunderthochwasser von 1999 – alles ist an den Schichten ablesbar. Bevor die IGKB-Vertreter auf die Sorgen zu sprechen kamen, schilderten sie ihre Erfolge. So sei der Eintrag von Mikroplastikpartikeln „weniger als vermutet“, er liege bei fünf bis zehn Mikrogramm pro Kubikmeter. Schwermetalle aus der Industrie sind kaum noch auffällig, abgesehen von Zink- und Kupferanteilen, die noch in Regenrinnen verwendet werden.

Neue Pflanzen und Tiere als Störenfriede

Weitaus wichtiger ist den Wasserschützern ein Anliegen, für das sie 1959 überhaupt angetreten waren: die Zurückdrängung des Eintrags von Phosphor, ein Algennährstoff, der in den 70er und 80ern Jahren noch hohe Konzentrationen im See hatte, aber durch den Bau von Kläranlagen zurückgedrängt werden konnte. „Der Phosphoranteil lag in den schlimmsten Zeiten bei über 80 Mikrogramm pro Liter, jetzt liegt er zwischen sieben bis acht Mikrogramm – das entspricht der Sauberkeit eines alpinen Tiefengewässers“, freute sich Untersteller. Allerdings stehe der See vor neuen Herausforderungen, der sich die IGKB stellen müsse. So führt es Untersteller auf den Klimawandel zurück, dass der See „sehr warm“ geworden sei. Die Jahresmittelwerte der Lufttemperatur am Bodensee lagen im Zeitraum von 1990 bis 2017 im Durchschnitt um 1,2 Grad höher als in den rund drei Jahrzehnten davor und die Wassertemperatur an der Seeoberfläche war um 1,1 Grad wärmer als im genannten Vergleichszeitraum, sagt Untersteller. Das möge sich harmlos anhören, habe aber gravierende Folgen: die Durchmischung des Sees im Laufe des Jahres, die Zirkulation von oberen zu tiefen Schichten, sei deutlich abgeschwächt worden. Das Problem: in der Tiefe könnte Sauerstoff knapper werden.

Eine andere Sorge betrifft das Auftauchen von 37 gebietsfremden Pflanzen- und Tierarten im Bodensee, die die Biodiversität stören. Das massive Auftreten von Stichlingen – sie machen mittlerweile ein Fünftel der Fisch-Biomasse aus – die Vermehrung der Quagga-Muschel und des Fischräubers Kormoran sind Probleme, denen sich die IGKB stellen will. Einer Forderung von Fischern, man möge etwas mehr Phosphat in den See lassen, um eine Rückkehr des im Schwinden befindlichen Felchen zu ermöglichen, erteilte Untersteller eine Absage: „Es gilt ein Verschlechterungsverbot. Wir können nicht gegen Europäisches Wasserrecht verstoßen.“

Kläranlagen werden umgerüstet

Von allen Seiten gelobt worden ist die gute Länderzusammenarbeit in der IGKB. Carmen Haag, Regierungsrätin im Kanton Thurgau, sagte, es gelte den Bodensee als Trinkwasserreservoir für fünf Millionen Menschen zu schützen. Mit Sorge betrachte auch die Schweiz die zunehmenden Trockenheitsperioden. So habe der Kanton Thurgau mit einer Trinkwasserplanung für die nächsten 50 Jahre begonnen, in der Bedarf und Angebot berechnet werden. Haag berichtete detailliert, wie die Schweiz ihre Kläranlagen umrüste, damit sie auch Haushaltschemikalien, Medikamentenrückstände und Röntgen – und Kontrastmittel ausfilterten. Baden-Württemberg sieht sich hier als Vorbild, seien dort doch alle sechs großen Kläranlagen am See umgerüstet worden.

Konrad Stania vom österreichischen Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus bezeichnete die Geschichte der IGKB als „weltweite Erfolgsstory“. Für ihn sichtbar sei dies an der Renaturierung von Seeufern – etwa zwischen Bregenz und Lochau nach der Auflassung einer alten Ölpipeline. Durch Schilfbewuchs gebe es wieder „den Schutz vor Wellenschlag“ für das Uferbiotop – die Natur schützt also wieder vor der Natur.