Ende Juni ist endgültig Schluss. Foto: AFP

Das Kernkraftwerk Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze ist heftig umstritten. Während es in Südbaden heftig bekämpft wird, fürchten die Fessenheimer dramatische Folgen für ihre Gemeinde.

Freiburg/Fessenheim - Auch am Ende ist noch lange nicht Schluss. Selbst wenn im Atomkraftwerk Fessenheim die Reaktoren längst heruntergefahren sind, werden in den 39 umliegenden Gemeinden weiterhin kostenlos Jodtabletten in den Apotheken verteilt. Das ist auf der Internetseite der Electricité de France (EDF) zu lesen. Sie sollen bei einem Atomunfall in einem der Reaktorblöcke verhindern, dass radioaktives Jod vom Körper aufgenommen wird. Mit dem Abschalten ist nach Einschätzung von Experten eine gefährliche Kernschmelze nicht mehr möglich, doch die EDF will als Betreiberin des Atomkraftwerkes kein Risiko eingehen.

Vor 43 Jahren ging der 1800-Magawatt-Meiler ans Netz, doch am Samstag um 2.30 Uhr beginnt der Anfang vom Ende. Dann wird der erste der beiden Druckwasserreaktoren heruntergefahren, am 30. Juni folgt der zweite. Mindestens 20 Jahre wird der Rückbau der Anlage noch dauern. Ob bis dato die Wunden verheilt sind, die der Streit um das Atomkraftwerk bei den Menschen in der Region gerissen hat, ist mehr als fraglich.

In Fessenheim verläuft der Graben zwischen Gegnern und Befürwortern ziemlich genau entlang der deutsch-französischen Grenze im Rheintal. Auf der deutschen Seite fordern Bürgerinitiativen und Politik seit vielen Jahren vehement das Ende der Anlage. „Das Atomkraftwerk Fessenheim hätte nie in Betrieb gehen dürfen“, sagt zum Beispiel Stefan Auchter, Regionalgeschäftsführer der Umweltorganisation BUND, und fügt hinzu: „So gesehen kommt die Abschaltung 43 Jahre zu spät.“

Die Mitarbeiter schwanken zwischen Wut und Verzweiflung

Im Elsass dagegen haben Politiker, Gewerkschaften und vor allem die Anwohner genauso erbittert für die Erhaltung des Kraftwerks gekämpft. Doch jetzt ist Schluss. „Non à la fermeture de Fessenheim!“, ein Banner mit diesem Spruch weht auch jetzt noch am Zaun des Geländes. Die meisten der über 1200 Mitarbeiter der Anlage schwanken zwischen Wut, Trauer und Verzweiflung.

Für viele Familien heißt es, dass sie in den kommenden Jahren umziehen müssen. Über 200 EDF-Angestellte sind nach Angaben des Betreibers bereits an andere Standorte versetzt worden.

Die meisten von ihnen verstehen die Entscheidung des französischen Staates nicht, die Reaktoren endgültig herunterzufahren. In ihren Augen stellt das Atomkraftwerk auch trotz seines Alters und der immer wieder aufgetretenen Störfälle keine Gefahr dar – und sie schimpfen auf die Politik. Immer wieder fällt der Name des französischen Ex-Präsidenten Francois Hollande.

Der habe im Wahlkampf um das Präsidentenamt 2012 Fessenheim für ein paar Stimmen von Umweltschützen und Atomkraftgegnern geopfert. Allerdings brach der Sozialist dann sein Versprechen, die Anlage schon 2016 abzustellen, das übernimmt nun sein Nachfolger Emmanuel Macron. Aber auch ihm wird vorgeworfen, damit nur ein politisches Zeichen an die europäischen Nachbarn setzen zu wollen, das da lautet: Frankreich meint es tatsächlich ernst mit dem Ausstieg aus der umstrittenen Kernenergie.

Bürgermeister sieht Fessenheim als „politische Geisel“

Auch der Fessenheim Bürgermeister Claude Brender ist überzeugt, dass seine Gemeinde vom fernen Paris als eine Art „politische Geisel“ genommen wurde, um damit auf Stimmenfang zu gehen. Er hält das Ende des Atommeilers für unsinnig. Das Kraftwerk sei abbezahlt, höchst rentabel – und sicher. Die Angst der Menschen vor den Gefahren führt er auf „Falschinformationen“ zurück.

Der Zorn des Bürgermeisters ist durchaus nachvollziehbar. Während auf der deutschen Rheinseite und in der Schweiz die Wirtschaft boomt, ist die 2400-Einwohner-Gemeinde von dem Arbeitgeber EDF abhängig. Mit dem Ende des Kraftwerks gehen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verloren. Die Gemeinde Fessenheim fordert daher zum Ausgleich Millionenhilfen, dem Betreiber EDF hat der Staat bereits eine Abschaltprämie von 400 Millionen Euro zugesagt.

Doch Präsident Macron hat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) andere Pläne für die Region geschmiedet. Aufgebaut werden soll ein deutsch-französischer Industriepark, der mit bis zu einer Million Euro Starthilfe gefördert werden soll. Was sich dort ansiedeln könnte, ist allerdings noch vollkommen offen. Eine Solaranlage war im Gespräch oder eine Fabrik, die Windräder herstellt. Das alles ist allerdings lediglich Zukunftsmusik.