Pizza Hawaii – kaum ein Gericht schafft es derart zu polarisieren. Foto: imago/Panthermedia

Aktuell kursiert das Bild einer Kiwi-Pizza aus Dänemark im Netz – und wird unter anderem als „unheilige Abscheulichkeit“ bezeichnet. Warum Pizza Hawaii und Co. aber besser sind als ihr Ruf und italienische Großmütter jetzt ganz stark bleiben müssen, kommentiert Jan Merklinger.

Stuttgart - Gleichmäßig verteilen sich Tomatensauce und Schinken auf der Pizza. Doch was ist das? Zwischen zerlaufenem Mozzarella, Oregano und Basilikum haben sich gelbe Stücke eines südamerikanischen Bromeliengewächses hineingeschmuggelt. Ein Untersuchungskomitee, bestehend aus italienischen Großmüttern und einem Pizzasommelier, stellt fachkundig fest: Es liegt eine schwerwiegende Verwendung von Ananas vor.

Während Traditionalisten Pizza Hawaii wohl für die schlimmste Demütigung Italiens seit der verpassten WM-Qualifikation 2017 halten, würden andere für eine gute Hawaiipizza wohl größte Kompromisse eingehen. Zum Beispiel, sich bei ohrenbetäubender Eros-Ramazotti-Beschallung in einem klapprigen Fiat Punto einen steilen Bergpass herunterkutschieren zu lassen.

Droht die Ananasisierung des christlichen Teigfladens?

Die Pizza, die ihren Namen von einem der Anbaugebiete der Früchte hat und angeblich 1962 in Kanada erfunden wurde , weiß zu polarisieren. Der isländische Premierminister Gudni Th. Jóhannesson meinte 2017 etwa, er würde Ananas auf Pizza gesetzlich verbieten, wenn er nur könnte. Diese Aussage war zwar nicht ganz ernst gemeint, dennoch zeigt sie ein kulinarisches Problem. Eine Front selbst ernannter Verteidiger italienischer Pizzatradition steht seit Jahren unversöhnlich der Ananasisierung des christlichen Teigfladens gegenüber.

Doch auch Früchte auf Pizza haben Ramazottis „Amore“ verdient. Die Kombination aus deftigem Schinken, Teig und der süßen Frische von Ananas steht nicht nur einem Toast Hawaii gut zu Gesicht. Auch auf einem italienischen Teigfladen sind die Integrationsbemühungen der Südfrucht nicht von der Hand zu weisen.

Obwohl manche in diesen Paarungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sehen. Doch auch hierzulande kombinieren Menschen Käse und Marmelade oder saure Gurken und Nutella, ohne, dass sie der strafende Blitz der Kulinarik trifft. Und bekanntlich sind Geschmäcker verschieden. Niemand ist dazu verpflichtet, die Lebensweise seines Nachbarn, Schwippschwagers oder Arbeitskollegen zu teilen.

Auch eine Kiwi-Pizza erregt die Gemüter

Zuletzt zog eine dänische Kiwi-Pizza die Aufmerksamkeit des Internets auf sich. Unter anderem als „unheilige Abscheulichkeit“ bezeichnet, überboten sich die Nutzer bei der Zurschaustellung ihres Ekels. Aber was soll daran schlimm sein, auch mal jenseits der Konventionen Dinge auszuprobieren? Zugegeben, geschmacklich wird der Kiwi-Belag vermutlich nicht in die Geschichte eingehen. Ohne Neues zu versuchen, bleibt jedoch auch der Fortschritt und die Entdeckung großartiger Kulinarik aus.

Die Geschmackskombination aus süßen und salzigen Aromen etwa mag gewöhnungsbedürftig wirken. Manchmal erfordert diese auch eine Extraportion Überwindung. Aber wer sich nicht darauf einlässt, verpasst großartige Paarungen wie Reibekuchen mit Apfelmus, Wild mit Preiselbeeren oder Datteln im Speckmantel.

Vielleicht ist Kiwi-Pizza daher auch gar nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint.

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j.merklinger@mhsdigital.de