Saliou Gueye hat viele Spuren in Ludwigsburg hinterlassen – jetzt kehrt er zurück. Foto: factum/Archiv

Saliou Gueye kehrt zurück nach Ludwigsburg und wird dort künftig die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika koordinieren. Ein Ziel: Fluchtursachen bekämpfen. Die neue Stelle ist umstritten, aber Gueye hofft, die Kritiker bald zu überzeugen.

Ludwigsburg - Die Entscheidung war riskant. Vor wenigen Tagen hat Saliou Gueye seinen Job als Koordinator für kommunale Entwicklungszusammenarbeit in Ludwigsburg angetreten, im Bewerbungsverfahren setzte er sich gegen rund 70 Konkurrenten durch. Die auf zwei Jahre befristete Stelle ist offenbar so attraktiv, dass der 48-Jährige dafür eine unbefristete Stelle gekündigt hat. „Ich liebe Risiken“, sagt er. „Und ich liebe Ludwigsburg. Ich freue mich, dass ich zurück bin.“

Auch in der Barockstadt wird es viele Menschen geben, die sich auf Gueye freuen. Sechs Jahre leitete der gebürtige Senegalese das hiesige Integrationsbüro, bevor er 2013 nach Ulm wechselte. In diesen sechs Jahren hat der Diplom-Ingenieur Spuren hinterlassen, auch als Initiator des interkulturellen Festsoder als Vorsitzender des Vereins Afrika hilft Afrika. Wer damals mit Gueye durch die Fußgängerzone schlenderte, bekam einen Eindruck davon. Gueye schaffte selten mehr als zehn Meter, ohne erkannt zu werden, ohne Plausch.

Darf eine Kommune sich derart intensiv in der Entwicklungshilfe engagieren?

Dennoch: im Gemeinderat jubeln nicht alle, was weniger an Gueye als an seiner Stelle liegt, denn Ludwigsburg betritt damit Neuland. Seit 2006 hat die Stadt enge Kontakte in den westafrikanischen Staat Burkina Faso aufgebaut. Ludwigsburg unterstützt Bildungsinitiativen, mit Hilfe eines Fördervereins wurde eine Schule gebaut, Brunnen wurden finanziert, Bäume gepflanzt. Das Engagement soll ausgebaut werden, weshalb die Stadt beim Bund eine Stelle beantragte – und, wie neun weitere deutsche Kommunen, im Rahmen eines Pilotprojekts genehmigt bekam. 90 Prozent der Ausgaben für Gueye, aber auch für Reisen und Sachleistungen, erhält die Stadt jetzt aus Berlin, den Rest, rund 10 000 bis 15 000 Euro, muss sie selbst tragen.

Der Haken: Das Projekt ist auf zwei Jahre befristet. Mehrere Fraktionen übten daher unlängst massive Kritik an der neuen Stelle, weil sie fürchten, dass die Stadt langfristig alle Kosten übernehmen muss. Auch wurde die Frage laut, ob es zum Aufgabengebiet einer Kommune gehöre, sich intensiv in der Entwicklungshilfe zu engagieren.

Der Bund fördert zunehmend auch kleine kommunale Initiativen in Afrika

Gueye kennt die Vorbehalte und er will sie ausräumen. „Es geht nicht darum, armen Afrikanern zu helfen“, sagt er. „Sondern darum, Verantwortung für eine globale Welt zu übernehmen.“ Der Klimawandel mache nicht in Afrika halt. Was dort passiere, habe unmittelbar Einfluss auf Europa.

Das Gleiche gelte in der Flüchtlingsfrage. „Wir neigen dazu, uns mit Symptomen zu beschäftigen“, sagt Gueye. „Wichtiger wäre, vor Ort etwas gegen Fluchtursachen zu unternehmen – und den Menschen zu erklären, dass sie sich nicht naiv auf den Weg nach Europa machen sollten.“ Dass der Bund Geld bereitstellt, ist für den Ludwigsburger Sozialbürgermeister Konrad Seigfried ein Signal. Auch dort habe man erkannt, dass die großen, übergreifenden Aktivitäten oft kaum Wirkung entfalten, während die unzähligen kleinen Unternehmungen direkte Fortschritte bringen. „Das ist die Stärke von kommunaler Entwicklungszusammenarbeit“, sagt er.

Fairer Handel, Klimaschutz, Fluchtursachen bekämpfen: Gueye hat große Pläne

Gueye soll sich in Burkina Faso auch um Klimaschutzvorhaben kümmern, fairen Handel fördern, die Bildungsarbeit intensivieren – und kann dabei auf ein breites Netzwerk zurückgreifen. Seit 2014 ist er Jury-Vorsitzender des bundesweiten Wettbewerbs „Kommune bewegt Welt“, im selben Jahr bekam er das Bundesverdienstkreuz verliehen, seit 2015 sitzt er im Nachhaltigkeitsbeirat der baden-württembergischen Landesregierung, außerdem ist er Mitglied einer Expertengruppe des Auswärtigen Amts in Berlin. Zuletzt war er Leiter des Fachbereichs Familie, Soziales und Bürgerengagement in Schorndorf. „Für mich ist der Wechsel richtig“, sagt er. Eine solche Möglichkeit, eine solche Stelle, das gebe es nicht oft.

Gueye hofft nun, dass aus dem Pilotprojekt etwas Dauerhaftes wird. Dass der Bund über die zwei Jahre hinaus Geld gibt. Dass der Gemeinderat bereit ist, den Eigenanteil der Stadt zu erhöhen, sollte dies nötig werden. Falls es anders kommt: „Dann suche ich mir in zwei Jahren eine neue Herausforderung“, sagt er.