Zu viele Tauben sind in vielen Innenstädten ein Problem. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Berlin hat Pasten zur Vogelabwehr verboten. Die Rechtsauffassung ist in Baden-Württemberg laxer. Wer die Mittel auftragen lässt, riskiert trotzdem, sie abkratzen zu müssen. Betroffen sind Einkaufszentren, Bahnhöfe und der VfB Stuttgart.

Sindelfingen - Der Verzicht war eine weise Entscheidung. Jürgen Ehlen hatte Tierschützer zu Gast – die waren erbost. Der Chef des Stern-Centers in Sindelfingen hatte den Auftrag erteilt, das Einkaufszentrum zu verkleistern. Nopaloma, eine dauerhaft klebrige Paste, sollte Tauben verscheuchen, in Fachsprache: vergrämen. Tierschützer ächten die Methode, weil der Stoff Gefieder derart verkleben kann, dass die Tauben flugunfähig verenden. Dennoch galt die Klebepaste jahrelang als Wundermittel gegen die Vögel, ihr aus dem Englischen und dem Spanischen zusammengeleimter Name als Versprechen: no Paloma – keine Taube.

Wer Nopaloma auftragen lässt, riskiert allerdings den Protest von Tierschützern. In Stuttgart ist der VfB genauso betroffen wie das Einkaufszentrum Milaneo oder die Deutsche Bahn. Ehlen erhörte die Mahnungen und zog den Auftrag an die Firma Einheit 3 zurück, die von Weil im Schönbuch aus das Mittel deutschlandweit verteilte und gar die Expansion ins Ausland plante. Zumindest in der Bundesrepublik scheint die Geschäftsidee allerdings tot, denn wer sein Mauerwerk verkleistern lässt, riskiert inzwischen einen Folgeauftrag: den, die überaus klebrige Paste wieder abkratzen zu lassen.

Die Einschätzung der Stadt Berlin ist eindeutig

Die Einschätzung der Stadt Berlin dazu ist eindeutig. „Die Anwendung von Nopaloma oder anderen klebrigen Mitteln ist verboten, bundesweit.“ So teilt es Klemens Steiof mit, der in der Senatsverwaltung der Hauptstadt für den Artenschutz zuständig ist, und bezieht sich auf drei unterschiedliche Gesetze zum Tierschutz. Am deutlichsten ist die Bundesartenschutzverordnung formuliert. In ihr ist ein klares Verbot zu lesen, Tieren „mit Leim und sonstigen Klebstoffen nachzustellen, sie zu fangen oder zu töten“. Nopaloma steht damit in der gleichen Kategorie wie Haken oder Schlingen.

Anders als in der Hauptstadt gilt das Verbot in Baden-Württemberg allerdings als deutbar, sinngemäß so: Klebstoff als solcher ist nicht verboten, aber er darf nicht kleben. „Unser Kenntnisstand ist, dass der Hersteller die Verantwortung an den Nutzer weitergibt“, sagt Dennis Ritter, der Pressesprecher des Landratsamts in Böblingen. Sofern das Mittel mit genügend Sand bestreut wird, dürfe Nopaloma benutzt werden. Dies empfiehlt der Hersteller. Gemäß dessen Angaben verscheucht nicht der Klebstoff selbst die Tauben, sondern ein für sie unangenehmes Gefühl, auf weichem Untergrund zu landen. Aus Stuttgart lautet die Auskunft: „Das Mittel an sich ist nicht verboten.“ So sagt es Stefan Kinkelin vom Ordnungsamt, „aber wenn wirklich Vögel an ihm kleben, schreiten wir ein“. Dann müsse die Paste entfernt, Reste abgedeckt werden. Über eine klarere Rechtslage „würde unser Veterinäramt sich freuen“, sagt Ritter. Dieser Satz gilt nicht nur für Böblingen. „Das Thema bewegt Behörden seit Jahren“, sagt Isabel Kling, die Pressesprecherin des baden-württembergischen Ministeriums für ländlichen Raum. Weil aus dessen Sicht die Rechtslage unsicher ist, formulierten die Ministerialen lediglich die Empfehlung, Nopaloma nicht zu verwenden, aber kein Verbot, jedenfalls bis auf Weiteres. „Wir haben mehrfach die Bundesregierung gebeten, eine klare Regelung zu finden“, sagt Kling.

Bei der Bundesregierung scheint das Thema vergessen

Dort scheint das Thema vergessen. Tatsächlich hatte das Bundesumweltministerium dem Hersteller bereits 2016 ein Mahnschreiben geschickt, samt der Aufforderung, den Verkauf einzustellen. Allerdings musste das Ministerium diesen Brief der Form halber zurückziehen. Es war schlicht nicht zuständig.

Ungeachtet dessen hat die Ächtung seitens der Tierschützer offenbar gewirkt. Fachfirmen bieten nur noch vereinzelt die Methode an, Tauben mittels Klebepasten zu vergrämen. Auch die Einheit 3 in Weil im Schönbuch wirbt zumindest nicht mehr für ihr einst gepriesenes Produkt. Eine Anfrage zur Verwendung ließ die Firma unbeantwortet. Beim Online-Handelsriesen Amazon ist die Paste aus dem Programm gestrichen, und die einst in Stuttgart ansässige No Paloma Deutschland Vertriebs GmbH hat Insolvenz angemeldet.