Laut Bundesinnenministerium sollen mindestens 350 Minderjährige nach Deutschland kommen. Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Am Samstagvormittag ist eine erste Gruppe von unbegleiteten Flüchtlingskindern aus den griechischen Lagern in Niedersachsen eingetroffen. Die EU-Kommission und Hilfsorganisationen lobten die Aktion, forderten aber die schnelle Aufnahme weiterer Kinder und auch Erwachsener.

Hannover, Berlin - Eine erste Gruppe von unbegleiteten Flüchtlingskindern aus den griechischen Lagern ist am Samstagvormittag in Niedersachsen eingetroffen. Die 42 Kinder und fünf Jugendlichen würden zunächst für eine zweiwöchige Quarantäne in einer Einrichtung im Landkreis Osnabrück untergebracht, teilten die Innenministerien des Bundes und des Landes Niedersachsen mit. Die EU-Kommission und Hilfsorganisationen lobten die Aktion, forderten aber zugleich die schnelle Aufnahme weiterer Kinder und auch Erwachsener.

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Die Aufnahme der 47 Kinder sei „das Ergebnis monatelanger Vorbereitungen und intensiver Gespräche mit unseren europäischen Partnern“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Samstag. Laut Bundesinnenministerium sollen mindestens 350 Minderjährige nach Deutschland kommen.

Vor Abreise auf Covid-19-Infektion getestet

Die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen waren den Angaben zufolge zuvor in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln Lesbos, Samos und Chios untergebracht. Sie stammten aus Afghanistan, Syrien und Eritrea. Unter ihnen befänden sich vier Mädchen und einige Geschwisterpaare. An Bord des Flugzeuges befanden sich nach Angaben der Ministerien auch zwei Kinder, die von ihrem Vater nach Griechenland entführt und zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter zurückgebracht wurden.

Ursprünglich waren 55 Kinder am Samstag in Deutschland erwartet worden. Alle Kinder und Jugendlichen seien vor der Abreise auf eine mögliche Covid-19-Infektion getestet worden.

Katastrophale Lebensumständen in den Lagern

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef würdigte die Aufnahme der Jungen und Mädchen als „Geste der Menschlichkeit“. Der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, forderte Deutschland und Europa zugleich auf, weitere Kinder aufzunehmen. Die Covid-19-Pandemie könne für die Kinder und ihre Familien unter den katastrophalen Lebensumständen in den Lagern verheerende Folgen haben. Die Aufnahme schutzbedürftiger Kinder sei für alle europäischen Staaten „eine menschenrechtliche Verpflichtung“.

Anja Sportelli vom Seebrücke-Bündnis Berlin sagte, die Ankunft der 47 Kinder zeige, „dass Bundesinnenminister Seehofer verstanden hat, dass wir handeln müssen“. Die Zahl sei jedoch „beschämend“, weil viel zu gering. 150 Kommunen in Deutschland hätten sich bereiterklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. „Ein bisschen retten geht nicht. Wir müssen alle evakuieren - bevor es zu spät ist“, forderte sie.

1.600 Kinder aus den Lagern holen

Auch EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson zeigte sich besorgt angesichts eines drohenden Ausbruchs von Covid-19 in den Lagern. Sie mahnte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag) weitere Umverteilungsaktionen an. Neben den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gebe es weitere gefährdete Gruppen.

Zehn EU-Mitgliedstaaten hatten vereinbart, insgesamt 1.600 besonders schutzbedürftige unbegleitete Kinder aus den Lagern herauszuholen. Wegen der Corona-Pandemie verzögert sich in einigen europäischen Staaten aber die Aufnahme. „Ich gehe davon aus, dass unsere europäischen Partner damit beginnen, ihre Zusagen nun ebenfalls sobald wie möglich umzusetzen“, sagte Seehofer. Bereits am Mittwoch dieser Woche waren zwölf unbegleitete Kinder und Jugendliche in Luxemburg eingetroffen.