In China sind die öffentlichen Verkehrsmittel dünn besetzt. Foto: dpa/Willie Siau

Viele Chinesen in Deutschland sind entsetzt über den vermeintlich sorglosen Umgang mit der Krankheit. In Arztpraxen werden sie abgewiesen, Visa werden nicht verlängert.

Stuttgart - In Deutschland leben knapp 150 000 Chinesen – das sind mehr Menschen als aus den EU-Ländern Frankreich oder Portugal. In den sozialen Netzwerken sind sie bestens vernetzt, und natürlich ist das Coronavirus Gesprächsthema Nummer eins. Mit einem Zungenschlag, der in der deutschen Öffentlichkeit bisher kaum eine Rolle spielte: Zahlreiche Chinesen sind geradezu entsetzt über die deutsche Sorglosigkeit im Umgang mit der Krankheit – und darüber, wie sie von deutschen Behörden behandelt werden.

Die Rückkehrer

An Plakaten mangelt es auf deutschen Flughäfen dieser Tage nicht. Mehrsprachig, auch auf chinesisch, wird darauf hingewiesen, wie man sich zu verhalten habe, wenn Fieber, Husten oder andere Beschwerden auftauchen, nachdem man in China, besonders in der Provinz Hubei gewesen ist. Zahlreiche Chinesen, die nach dem Frühlingsfest wieder zurück nach Deutschland kommen, fühlen sich beschwerdefrei – wissen aber, dass das Virus auch von scheinbar gesunden Personen übertragen werden kann. Sie wollen sich testen lassen, um hier niemanden anzustecken. In den sozialen Medien schildern sie, wie sie von Hausärzten abgewiesen werden und verstehen die Welt nicht mehr: „Warum schützt sich Deutschland nicht?“ ist noch eine der harmlosen Formulierungen, die dort zu finden sind.

Das Testverfahren

Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg, kann die Furcht zwar verstehen, vor allem wenn man aus China kommt, wo sich vielerorts niemand mehr auf die Straße traut. Doch er verweist auf die vom Robert-Koch-Institut aufgestellten Regeln: Getestet werden nur Menschen mit Symptomen. Thomas Iftner hält das für richtig und erklärt warum das so ist: Um wirkungsvoll nach dem Virus zu forschen, brauche es nach aktuellem Stand Untersuchungsmaterial aus dem Bereich der unteren Atemwege, sagt der Direktor des Institutes für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten an der Universität Tübingen. „Dazu braucht es eine Vollnarkose“. Außerdem, so Iftner, gebe es ein weiteres Problem: Niemand wisse, ab wann sich das Virus nachweisen lasse. „Vielleicht wird ein symptomfreier Mensch heute negativ getestet, obwohl das Virus in ihm schlummert, zwei Tage später ist es dann feststellbar, obwohl immer noch keine Symptome erkennbar sind“. Die Sorge der Chinaheimkehrer könne er zwar nachvollziehen, angesichts des komplizierten Tests sei es jedoch richtig, den nur bei begründeten Verdachtsfällen zu machen. Wer vermeiden möchte, jemanden anzustecken, der bleibe am besten 14 Tage weitgehend daheim, so der Virologe.

Die Besucher

Ein völlig anderes Thema treibt viele Chinesen um, die selbst seit Jahren in Deutschland leben, und größtenteils hoch qualifizierten Tätigkeiten nachgehen. Viele von ihnen hatten über Weihnachten und die Zeit des Frühlingsfestes ihre Eltern zu Besuch. Doch deren Visum läuft nun aus. Angesichts der Situation in China würden die Reisenden gern bleiben, doch die Verlängerung des Visums ist nicht immer einfach. Das stößt vielerorts auf Kritik. „Deutschland ist so großzügig zu Flüchtlingen – und bei meinen Eltern, die niemandem zur Last fallen, ist der Staat so streng“, klagt eine Frau, die gerade den ablehnenden Bescheid eines Ausländeramtes bekommen hat.

Die Rechtslage

Für die Verlängerung von Visa sind die Ausländerämter zuständig – und die scheinen den ihnen zugestandenen Spielraum unterschiedlich zu nutzen. Da das Problem erst allmählich in das Bewusstsein der Behörden vordringt, haben einige Länderministerien Orientierungshilfe gegeben. „Wir wissen um die Problematik und gehen sehr großzügig damit um“, heißt es aus Hamburg. Seit Mittwoch tut das die Hansestadt auch auf ihrer Internetseite kund. Man müsse nicht unbedingt aus Wuhan kommen, um das Visum verlängert zu bekommen, sagt ein Sprecher. Auch das hessische Innenministerium hält die Behörden dazu an, „bei entsprechendem Vortrag“ großzügig zu sein. In Baden Württemberg habe man ein „klares Signal“ an die Ausländerbehörden ausgesandt, heißt es aus dem Innenministerium. Das allerdings scheint nicht überall in dieser Form verstanden worden zu sein: Ablehnende Bescheide gibt es auch noch nach der am Montag versandten E-Mail.