Innerhalb von nur drei Jahren könne das Gleis zwischen Markgröningen, Möglingen und Ludwigsburg reaktiviert werden, sagt das Ludwigsburger Rathaus. Foto: factum/Granville

Mit seinem Vorstoß für den Umbau des Nahverkehrs in der Region hat der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec viel Aufsehen erregt. Der komplexe Plan basiert auf vier Bausteinen – mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen. Wir stellen die Eckpunkte vor.

Kreis Ludwigsburg - Die Reaktionen auf den Vorstoß der Ludwigsburger Stadtverwaltung sind gemischt. Der Oberbürgermeister Werner Spec und sein neuer Verkehrsplaner Sascha Behnsen schlagen vor, auf den lange geplanten Bau der Stadtbahn im Kreis Ludwigsburg zu verzichten – das Projekt sei zu teuer und technisch in der Ludwigsburger Innenstadt kaum zu bewerkstelligen, heißt es aus dem Rathaus. Vor allem aber koste die Realisierung zu viel Zeit, mindestens zehn Jahre. „Wir brauchen aber so schnell wie möglich eine Lösung für die Verkehrsprobleme“, sagt Spec. Das kürzlich vorgestellte Konzept sieht stattdessen eine Kombination aus neuen Eisenbahn- und Schnellbuslinien zwischen Markgröningen, Ludwigsburg, Remseck und Kornwestheim vor.

Und es geht darüber hinaus, weil im Süden zusätzlich eine Anbindung an die Schusterbahn nach Esslingen und die Bahn in Richtung Leonberg denkbar wäre. Teile des Konzepts stoßen in den Nachbarkommunen durchaus auf Zustimmung, andere Teile nicht, vor allem der Verzicht auf die Stadtbahn ist hoch umstritten. Wir stellen an dieser Stelle die Eckpunkte vor.

Von Markgröningen nach Ludwigsburg

Der neue Plan sieht vor, zwischen Markgröningen, Möglingen und Ludwigsburg ein vor Jahren teilweise stillgelegtes Gleis zu reaktivieren und auf der Strecke Eisenbahnen fahren zu lassen. Erste Untersuchungen haben ergeben, dass der Untergrund in einem guten Zustand ist, allerdings müssten Schienen erneuert und getauscht werden. Das, sagt Behnsen, sei vergleichsweise unkompliziert und schnell zu bewerkstelligen. Ein Gutachten belegt, dass der Streckenast attraktiv für viele Fahrgäste und daher wirtschaftlich zu betreiben wäre. Der Nachteil dieser Variante: mit einer Stadtbahn könnten die Passagiere bis weit ins Markgröninger Zentrum fahren, eine Eisenbahn müsste voraussichtlich früher stoppen. Endstation wäre dann wohl der Markgröninger Bahnhof.

In nur drei Jahren, sagt das Ludwigsburger Rathaus, könne dieser Baustein des Konzepts umgesetzt werden. Kritiker halten das für utopisch. Zum einen, weil nicht klar ist, wer die Reaktivierung bezahlen soll und später als Betreiber infrage kommt: die Deutsche Bahn? Der Stuttgarter Regionalverband? Zum anderen, weil die Strecke über keine Oberleitungen verfügt und Dieselloks dort tabu sind: wegen des befürchteten Gestanks, wegen der Emissionen. Ludwigsburg schlägt daher den Einsatz von elektrisch betriebenen Zügen vor, beispielsweise auf der Basis von emissionsfreier Brennstoffzellentechnik. In Niedersachsen fährt ein solcher Zug im Testbetrieb, und Spec ist überzeugt, dass die Technik bald serienreif ist. Der Landrat Rainer Haas, ein Anhänger der Stadtbahnlösung, glaubt das nicht.

Von Ludwigsburg nach Kornwestheim

Die Eisenbahn aus Markgröningen soll über das Gleis fünf in den Ludwigsburger Bahnhof fahren und von dort über ein Gütergleis weiter in Richtung Süden. Die erste Haltestelle wäre vor der neuen Wüstenrot-Zentrale in Kornwestheim, was dort auf große Zustimmung trifft. Rund 4500 Mitarbeiter werden künftig an diesem Standort arbeiten, der bislang mit dem ÖPNV nur schwer zu erreichen ist. Zwar verkehrt zwischen Kornwestheim und Ludwigsburg eine Straßenbahn, aber die Pläne, für Wüstenrot eine Straßenbahn-Haltestelle einzurichten, haben sich zerschlagen. Der Regionalzug könnte in diese Lücke stoßen.

Weniger glücklich ist Kornwestheim mit den Plänen für die zweite Haltestelle in der Stadt. Das Gütergleis der Eisenbahn kann nicht ohne Weiteres zum Kornwestheimer Bahnhof geführt werden, weshalb Behnsen in seinem Konzept einen Haltepunkt 300 Meter westlich eingezeichnet hatte. „Da machen wir auf keinen Fall mit“, sagte dazu das Kornwestheimer Rathaus, weshalb Behnsen nun an einer neuen Variante für diese Stelle arbeitet.

Ein weiteres Problem: das Gütergleis ist in Betrieb, es wird von Güterzügen genutzt. Ob überhaupt ausreichend Kapazität vorhanden ist, zusätzlich Personenzüge auf die Trasse zu packen, müsse genauer untersucht werden, sagt Behnsen. Er sei optimistisch, dass es möglich ist.

Auf weitgehend positive Resonanz stößt die Idee, die Eisenbahn südlich von Kornwestheim auf die Schusterbahn nach Esslingen treffen zu lassen und zusätzlich mit der Bahn in Richtung Leonberg zu verbinden – womit das Vorhaben überregionale Bedeutung gewinnen würde. Auch bei diesem Baustein muss die Frage nach dem Betreiber beantwortet werden, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Eine Direktverbindung zwischen Esslingen und Ludwigsburg, also zwischen den nach Stuttgart größten Städten der Region, wäre hochattraktiv und würde zudem den Stuttgarter Hauptbahnhof entlasten, der in diesem Fall umfahren werden könnte.

Stadt Ludwigsburg

Ludwigsburg ist eng, was den Bau einer Stadtbahn erschwert – gerade im Umfeld des Bahnhofs, wo wenig Platz zur Verfügung steht. Spec und Behnsen haben sich daher festgelegt: Schnellbusse sind die bessere Alternative. Sie sollen vom Bahnhof aus mitten durch die City und dann weiter in Richtung Oststadt rollen, um dort die besonders bevölkerungsreichen Stadtviertel anzubinden. Auch eine Linie durch die Weststadt ist vorgesehen.

Der Fachbegriff lautet Bus Rapid Transit, kurz BRT. In Frankreich werden BRT-Busse seit einiger Zeit und mit Erfolg eingesetzt, in Deutschland ist das System noch relativ unbekannt. BRT-Busse werden meist elektrisch angetrieben, sind größer als normale Busse und ähneln äußerlich Bahnen, weshalb Spec gerne von der „schienenlosen Stadtbahn“ spricht. Schnell sind sie, weil sie, wo es möglich ist, auf eigenen Fahrspuren unterwegs sind und Staus umfahren können.

Das ist gleichzeitig der größte Vorteil und der größte Nachteil des Systems. Denn, siehe oben: Ludwigsburg ist eng. Wo und in in welchem Umfang es überhaupt möglich sein wird, separate Fahrspuren für die Busse anzulegen, ist nicht im Detail beantwortet. Steht für einen BRT-Bus keine solche Spur zur Verfügung, was in Ludwigsburg an zahlreichen Stellen der Fall wäre, wird er zum normalen Bus – und stünde wie jedes andere Verkehrsmittel im Stau. Hinzu kommt, dass Studien belegen, dass Stadtbahnen attraktiver und erfolgreicher sind als Busse, wenn es darum geht, Autofahrer zum Umstieg zu bewegen. Der Fahrkomfort ist höher.

In einer sogenannten standardisierten Bewertung ist nachgewiesen worden, dass die Stadtbahn von Remseck über Ludwigsburg nach Markgröningen einen positiven Kosten-Nutzen-Faktor aufweisen würde, das bedeutet: für das Projekt würde aller Voraussicht nach viel Geld von Bund und Land fließen. Für das BRT-System fehlt dieser Nachweis noch.

Die Vorteile von BRT: Busse sind flexibler, Strecken können leichter dem tatsächlichen Bedarf angepasst und die Fahrzeuge zielgenau dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden. Während die Stadtbahn durchgängig Schienen benötigt, können Schnellbusse teilweise auf normalen und teilweise auf separaten Spuren fahren, was die Realisierung grundsätzlich erleichtert. Außerdem ist das BRT-System mit geschätzten Investitionskosten von unter 50 Millionen Euro wesentlich günstiger als die Stadtbahn, für die je nach Variante zwischen 150 und 200 Millionen Euro fällig würden. Für Spec ein weiterer Aspekt: „Stadtbahnen sind eine große Gefahr für Radfahrer“, sagt der Oberbürgermeister.

Von Ludwigsburg nach Remseck

Auch in Richtung Remseck sollen statt der Stadtbahn nun Schnellbusse eingesetzt werden – so will es Spec. Der Remsecker OB Dirk Schönberger will das nicht, sondern die Bahn. Dabei hat sich Spec viel Mühe gegeben, der Nachbarstadt die Busse schmackhaft zu machen. Nach den ursprünglichen Pläne sollte die SSB-Stadtbahn aus Richtung Stuttgart, die derzeit in Remseck endet, über Pattonville nach Ludwigsburg und Markgröningen verlängert werden. Davon profitieren würden primär Pattonville und der Remsecker Stadtteil Aldingen. Die Schnellbusse, so Spec, könnten Remseck hingegen gleich mit mehreren Linien ansteuern und somit auch andere Stadtteile anbinden, unter anderem das geplante Stadtzentrum Neue Mitte.

Auch bei diesem Baustein des Konzepts gilt: Ludwigsburg denkt in großen Dimensionen. In den Entwürfen des Verkehrsplaners sind sogar Busachsen nach Winnenden und Waiblingen eingezeichnet. Schönberger ist trotzdem nicht überzeugt. Zwar lobt der Remsecker OB den „überregionalen Ansatz“, hält aber wenig davon, die Stadtbahn durch Busse zu ersetzen. „Alle unsere Erfahrungen zeigen uns, dass ein Schienenfahrzeug eine viel höhere Akzeptanz hat“, sagt Schönberger. „Das können wir nicht ignorieren.“