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Zwei Wochen vor Bekanntgabe der EEG-Umlage im Strompreis bezieht Landes-Umweltminister Untersteller Stellung. Sein Fazit: Solar- und Windkraft treiben die Strompreise gar nicht nach oben. Möglicherweise aber Abzocker in den Energiekonzernen.

Stuttgart/Saarbrücken - Der Ärger steht Franz Untersteller (Grüne) ins Gesicht geschrieben. „In letzter Zeit wird die Energiewende immer nur mit Blut, Schweiß und Tränen übersetzt“, sagt er. Keiner rede mehr darüber, dass die Umstellung auf Solarkraft, Windenergie und Biomasse auch „Chancen zuhauf“ biete.

Das soll sich nun ändern, und deswegen hat Unterstellers Ministerium bei dem Saarbrücker Energiewissenschaftler Uwe Leprich ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Kosten des Ausbaus von Ökostromanlagen noch einmal genauer unter die Lupe nimmt. Leprich ist Leiter des Saarbrücker Instituts für Zukunftsenergiesysteme (Izes), gilt als ausgemachter Fachmann für den Energiemarkt, ist aber auch ein bekennender Befürworter der Ökostromförderung über das aktuell viel diskutierte Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und hat in der Vergangenheit häufig scharf gegen die vier großen Energiekonzerne geschossen. Genau diese Mischung ist es auch, die Untersteller jetzt die Argumentationsgrundlage liefert.

Demnach ist es nicht der derzeit viel gescholtene Ausbau der erneuerbaren Energien, der die Strompreise in erster Linie in die Höhe treibt. Der Ausbau der Fotovoltaik etwa verteure wegen sinkender Fördersätze die Kilowattstunde Strom nur um den minimalen Betrag von maximal 0,02 Cent.

Die Umlage ist Bestandteil des normalen Strompreises und beträgt aktuell 3,59 Cent je Kilowattstunde – und könnte 2013 steigen

Andere Effekte sind für die Strompreissteigerungen viel wichtiger, argumentiert der Umwelt- und Energieminister. Zum einen ist da die unzeitgemäße Preisfindung an der Leipziger Strombörse. Über komplexe Verrechnungsmechanismen sorgt sie dafür, dass die Förderkosten für erneuerbare Energien steigen, wenn der Börsenpreis für Strom sinkt, was seit Jahren der Fall ist.

Diesen scheinbar paradoxen Sachverhalt bekommen die Stromverbraucher zu spüren. Für Untersteller ist er „die Hauptursache für die jetzt diskutierte Erhöhung der Erneuerbaren-Energien-Umlage“, kurz EEG-Umlage. Die Umlage ist Bestandteil des normalen Strompreises und beträgt aktuell 3,59 Cent je Kilowattstunde. Im kommenden Jahr könnte sie auf fünf Cent oder mehr steigen. Am 15. Oktober wird eine erste tragfähige Prognose präsentiert. Die erwartete Erhöhung würde sich wahrscheinlich eins zu eins im Strompreis der Kunden wiederfinden.

Genau da liegt für Untersteller das Problem, denn eine Überwälzung der steigenden Umlage auf den Kunden verbietet sich nach Ansicht des Ministers von selbst. Der Grund: Anders als die Haushaltskunden profitieren die Energieversorger von den fallenden Börsenpreisen für Energie, da sie ihren Strom von dort beziehen. Der Effekt zwischen steigender EEG-Umlage einerseits und sinkenden Preisen an den Energiebörsen andererseits gleiche sich aus, argumentiert Untersteller. Das Problem sei nur, „dass der niedrige Börsenpreis in der Regel nicht an die privaten Haushalte weitergegeben wird“. Tatsächlich haben sich Energieversorger bei vergangenen Preisanpassungen meist gebetsmühlenhaft auf die steigende Umlage, fast nie aber auf ihre sinkenden Beschaffungskosten an den Energiebörsen bezogen.

„Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, halte ich die Befreiung von der Umlage für richtig“, sagt Untersteller

Und noch ein zweiter Effekt treibt die Preise für die Haushaltskunden und kleinen Firmen im Land nach oben. Nicht alle zahlen die EEG-Umlage. Besonders große Industriefirmen können sich seit Jahresanfang fast vollständig von dem Aufschlag im Strompreis befreien lassen. Die Anzahl der Firmen, die so von den Kosten der Energiewende quasi ausgenommen ist, steigt ständig, nach Unterstellers Angaben auf derzeit 700 Firmen bundesweit. Würden sie die Umlage mitbezahlen, könnte der Öko-Aufschlag für alle Deutschen auf einmal um 1,5 Cent je Kilowattstunde sinken. „Für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, halte ich die Befreiung von der Umlage für richtig“, sagt Untersteller. Die Frage sei, ob immer mehr Firmen, mitunter auch solche, die gar nicht im internationalen Wettbewerb stünden, in den Genuss der Vergünstigung kommen sollten.

Die Industrie-Schelte Unterstellers ruft nun auch die Opposition im Stuttgarter Landtag auf den Plan. CDU-Fraktionschef Peter Hauk sagte, die Landesregierung mache es sich mit ihren Aussagen zu leicht. Wenn die Zahl der Ausnahmen reduziert werden würde, käme das „einer Deindustrialisierung gleich“. Die FDP im Landtag warf der Regierung vor, Unternehmen und Verbraucher bei den Energiekosten gegeneinander auszuspielen. Die Schuld für die Strompreise jetzt auf die Unternehmen zu schieben sei „ein billiger grüner Trick“, der teuer käme, sagte die liberale Landesvorsitzende Birgit Homburger.