Das Tempo der neuen Machthaber in Kiew gerät ins Stocken. Noch immer gibt es keine Interimsregierung. Die bisherige Opposition kann sich nicht auf die Zusammensetzung einigen.

Das Tempo der neuen Machthaber in Kiew gerät ins Stocken. Noch immer gibt es keine Interimsregierung. Die bisherige Opposition kann sich nicht auf die Zusammensetzung einigen.

Kiew - Die neuen Machthaber in der Ukraine können sich noch nicht auf eine Übergangsregierung einigen. Das Parlament verschob eine am Dienstag geplante Abstimmung auf diesen Donnerstag. Die bisherige Opposition ist tief zersplittert. Ein Streitpunkt bleibt, welche Rolle die Aktivisten vom Kiewer Unabhängigkeitsplatz Maidan künftig spielen und welches Mitspracherecht sie haben.

Die Partei von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko forderte am Dienstag erneut, Aktivisten in die Regierung einzubinden. Die Maidan-Bewegung legte ihrerseits Bedingungen fest. „Jedes Kabinettsmitglied benötigt die Zustimmung des Maidan“, hieß es in einer Erklärung an die Agentur Interfax.

So dürften die 100 reichsten Ukrainer keine Regierungsposten erhalten, betonten die Aktivisten. Notwendig seien auch mindestens sieben Jahre Arbeitserfahrung. Mitglieder der bisherigen Regierung und der Präsidialkanzlei sollten keine Ämter erhalten.

Die Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen und zuständigen Komitees arbeiteten Tag und Nacht, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Er forderte, spätestens am Donnerstag müsse ein „Kabinett des nationalen Vertrauens“ stehen. Arseni Jazenjuk von Timoschenkos Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) kündigte an, es werde keine Hinterzimmerabsprachen geben. Der Ex-Außenminister gilt selbst als Kandidat.

Wo ist Janukowitsch?

Weiterhin war unklar, wo sich der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch aufhält. Zuletzt soll der mit Haftbefehl Gesuchte auf der prorussisch geprägten Halbinsel Krim gesehen worden sein. Gegen Janukowitsch wird wegen „Massenmordes“ ermittelt. Er soll tödliche Schüsse auf Regierungsgegner in Auftrag gegeben haben. Insgesamt waren bei Protesten in Kiew mindestens 82 Menschen getötet worden.

Russland äußerte sich angesichts des Einflusses rechtsextremer Kräfte „tief besorgt“ über die Zukunft des Nachbarn. Radikale Aufrührer besetzten noch immer öffentliche Gebäude in der Hauptstadt Kiew, kritisierte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen mit seinem luxemburgischen Kollegen Jean Asselborn. Um die Ukraine wieder auf den Weg der Rechtstaatlichkeit zu bringen, müsse die Gewalt aufhören und der Dialog zur nationalen Versöhnung beginnen, sagte Lawrow. Asselborn betonte, EU und Russland müssten die Krise in der Ex-Sowjetrepublik als „strategische Partner“ lösen.

Klitschko und Timoschenko wollen kandidieren

Drei Monate vor der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl in der Ukraine begann die Registrierung der Kandidaten. Anwärter könnten bis zum 30. März ihren Antrag stellen. Sie müssten 2,5 Millionen Griwna (gut 200.000 Euro) hinterlegen, teilte die Zentrale Wahlkommission in Kiew mit.

Vitali Klitschko bekräftigte noch einmal seinen Wunsch, Präsident zu werden. „Ich bin völlig überzeugt davon, dass in der Ukraine die Spielregeln geändert werden müssen“, sagte Klitschko am Dienstag in Kiew. „Es muss Gerechtigkeit herrschen. Ich weiß, dass dies möglich ist“, sagte der Ex-Boxweltmeister.

Klitschko hat bereits in den vergangenen Monaten mehrfach betont, für das höchste Staatsamt kandidieren zu wollen. Zuletzt hatte auch die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ihre Bewerbung angekündigt. Am 25. Mai soll auch ein neuer Bürgermeister in der Hauptstadt Kiew gewählt werden.

Die nahezu bankrotte Ukraine ist massiv auf internationale Hilfen angewiesen. Deutschland knüpft allerdings finanzielle Unterstützung an Bedingungen. „Voraussetzung für Hilfen ist politische Stabilität und eine Übergangsregierung, mit der man verbindlich einen Hilfs- und Stabilisierungsplan entwickeln kann“, sagte der Staatsminister im auswärtigen Amt, Michael Roth, zu „Handelsblatt online“.