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Die 8000-Einwohner-Gemeinde Hemmingen beteiligt sich mit Ludwigsburg und Kornwestheim an einem Kooperationsprojekt: Künftig sollen die Bürger nachschauen können, welche Miete im Ort üblich ist. Dazu müssen sie sich aber beteiligen.

Hemmingen - Ist die Miete zu gering? Ist die Mieterhöhung gerechtfertigt? Bei solchen Fragen von Vermietern und Mietern verweisen die Mitarbeiter des Hemminger Bauamts auf den Mietspiegel der Stadt Ludwigsburg. Dort kostet der Quadratmeter im Schnitt 8,84 Euro. Die Hemminger müssen einen Abschlag von zehn Prozent vornehmen, um herauszufinden, ob die Miete in der Gemeinde der ortsüblichen Vergleichsmiete entspricht. Bislang hat Hemmingen keinen eigenen Mietspiegel. Das soll sich nächstes Jahr ändern.

„Wir haben in den letzten Monaten vermehrt Anfragen bekommen“, begründet Tobias Adolph die Entscheidung für einen Mietspiegel. Die Vorteile liegen für den Mann von der Bauverwaltung auf der Hand: „In einem Zivilprozess kann ein qualifizierter Mietspiegel als Beweismittel vorgebracht werden.“ Vermieter könnten die Erhöhung der Bestandsmieten fundierter begründen, Mieter überzogene Erhöhungen leichter abwehren. Ein einfacher Mietspiegel würde jedoch – im Vergleich zum qualifizierten – eine „erhebliche und damit unbefriedigende Spannweite ergeben“, da Kriterien wie Wohnungstyp, Größe, Ausstattung oder Lage nicht im Vorhinein bei der Mietbestimmung berücksichtigt würden. Um den Hemminger Mietspiegel zu erstellen, wird ein externer Dienstleister im Oktober Bürger zu ihrer Mietwohnung befragen, auf freiwilliger Basis. Wer Interesse daran hat, kann einen einseitigen Fragebogen ausfüllen (www.hemmingen.de). So wird ermittelt, ob jene Mietwohnung für die Erhebung in Frage kommt.

Wohnen darf nicht unbezahlbar werden“

Den Mietspiegel erstellt Hemmingen im Rahmen einer vom Land geförderten Kooperation mit zwei Städten: Kornwestheim will auch einen qualifizierten Mietspiegel, Ludwigsburg hat seit Jahren einen. An ihm orientieren sich andere Kommunen ohne Regelwerk, oder sie nutzen ihn als Basis für einen einfachen Mietspiegel. Details zur Zusammenarbeit mit Ludwigsburg würden in den kommenden Wochen ausgearbeitet. „Für Hemmingen allein wäre die Erstellung und Aktualisierung eines qualifizierten Mietspiegels alle zwei Jahre wirtschaftlich nicht darstellbar“, sagt Adolph.

Die Verbände der Mieter und Vermieter halten Mietspiegel für unerlässlich. „Sie liefern die Grundlage, welches Mietniveau herrscht“, sagt der Vorsitzende des Mieterbunds für Stadt und Kreis Ludwigsburg, Eckart Bohn. Aus Sicht von Helga Schneller befriedeten sie, dämmten Mietpreise ein und seien die Grundlage für die Mietpreisbremse. „Die Preise gehen jetzt schon durch die Decke. Wohnen darf nicht unbezahlbar werden“, sagt die Vorsitzende des Eigentümerverbands Haus und Grund für die Region Ludwigsburg. Laut Schneller steigen die Mieten im Kreis jedes Jahr um rund 2,3 Prozent.

Viele Mietverhältnisse in Hemmingen beruhen auf Vertrauen

Tobias Adolph beschreibt die Mietstruktur in Hemmingen als „sehr unterschiedlich“. Es gebe viele Mietverhältnisse, die auf einer „Vertrauensbeziehung zwischen Mieter und Vermieter beruhen“. Aus Interesse am guten Verhältnis zu den Mietern nähmen die Eigentümer keine maximalen Mieterhöhungen vor, auch wenn sie dies rechtlich dürften. „Andererseits gibt es aufgrund des erheblichen Wohnungsmangels bei Neuvermietung vielfach Gelegenheit, Mieten erheblich anzuheben.“

Hemmingen ist günstiger als Ludwigsburg, wohingegen Ditzingen und Gerlingen teurer sind. Gerlingen ist sogar die teuerste Kreiskommune. Die Mietpreise liegen fünf bis sechs Prozent über denen in der Barockstadt. Als Gründe führt der Mieterbund die Nähe zu Stuttgart und ein hohes Einkommensniveau an. Für Gerlingen gibt es seit Juli einen Mietspiegel. Zuvor hatte sich die Stadt an Stuttgart orientiert. Das hat ein Ludwigsburger Amtsrichter im Frühjahr 2017 verboten: Die Mietspiegel von Stuttgart und Gerlingen ließen sich nicht vergleichen. Das Urteil betrifft auch Ditzingen: Die Stadt erhebt ihren einfachen Mietspiegel bislang auf der Grundlage des Stuttgarters. Künftig wird es wohl der Ludwigsburger sein. Eine Teilnahme am Kooperationsprojekt lehnt Ditzingen aber aus Kostengründen ab.

Korntal-Münchingen indes orientiert sich weiterhin am Ludwigsburger und am Fellbacher Mietspiegel: „Die Erstellung eines eigenen Mietspiegels ist bisher nicht vorgesehen“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung aus dem Rathaus.

Mehr als doppelt so teuer

Aufwand Mietspiegel geben eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete. Ein qualifizierter Mietspiegel ist genauer als ein einfacher. Er wird nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und hat eine größere Rechtssicherheit. Als Datengrundlage werden Haushalte detailliert nach ihrer Wohnsituation befragt.

Kosten Das Land Baden-Württemberg fördert Kooperationsprojekte zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel. Je Einwohner erhalten die Kommunen 50 Cent. Laut des Vereins Haus und Grund kostet eine Kommune mit 15.000 Einwohnern die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels trotz Förderung noch rund 10.000 Euro. Dagegen müsse sie für einen einfachen Mietspiegel 4000 Euro zahlen.