Vom Zeugen zum mutmaßlichen Mittäter – plötzlich klickten die Handschließen. Foto: dpa/Marijan Murat

Eigentlich sollte er vor dem Landgericht Stuttgart als Zeuge aussagen. Dann aber klickten die Handschließen, weil ein Angeklagter den Zeugen schwer belastet hatte.

Stuttgart - Das ging ganz schnell. Eigentlich sollte der junge Mann in einem Verfahren als Zeuge aussagen, in dem seinem älteren Bruder und dessen Kumpel schwerer Raub in zwei Fällen vorgeworfen wird. Doch ehe er sich’s versah, erklärte ihm der Vorsitzende Richter die vorläufige Festnahme.

Vor der 3. Jugendstrafkammer stehen zwei 20 und 22 Jahre alte Burschen. Sie sollen über die Internetplattform Ebay Raubopfer akquiriert haben. Laut dem Staatsanwalt haben die Angeklagten unter falschem Namen einen Account bei Ebay angelegt. Dort sollen sie teure Handys zum Kauf gesucht haben. Sie wollten jedoch nichts kaufen, sondern die Kunden abziehen, wie es im Jugendjargon heißt.

Den ersten Verkäufer, der ein Handy für 1200 Euro anzubieten hatte, sollen die Angeklagten und ein weiterer Unbekannter am Abend des 6. Februar dieses Jahres an die Tannenbergstraße nach Bad Cannstatt bestellt haben. Als der 55-Jährige gegen 20.10 Uhr am Treffpunkt aus dem Auto stieg, erwischte ihn sofort ein Faustschlag im Gesicht. Das hat der 20-jährige Angeklagte bereits gestanden.

Angeklagter will Mittäter nicht benennen

Er habe dem 55-Jährigen eine Faust gegeben, ihn dann gepackt und zu Boden gerungen, so der 20-Jährige. Sein Komplize, den er vor Gericht immer nur „Mittäter“ nennt, sei dann mit einem Messer aufgetaucht. „Das war nicht abgesprochen, ich war total geschockt“, so der Angeklagte. Er habe dem Mann den Mund zugehalten, sein „Mittäter“ habe das Opfer abgetastet und ihm das Handy aus der Tasche gezogen. Der 55-Jährige hat ausgesagt, er sei getreten worden, was der Angeklagte bestreitet. Den Namen seines „Mittäters“ will der 20-Jährige nicht preisgeben.

Noch am selben Abend soll der zweite Raub stattgefunden haben. Mit einem 26-Jährigen war ein Treffen ausgemacht worden. Als der Mann, der ebenfalls sein Mobiltelefon auf Ebay angeboten hatte, an der Bushaltestelle Schwarenbergstraße im Stuttgarter Osten ankam, wurde er sofort attackiert. Hier soll der zweite Angeklagte der Täter gewesen sein. Er soll den 26-Jährigen gestoßen, ihm das Telefon entrissen und dann die Flucht ergriffen haben. Die zwei in Stuttgart geborenen Angeklagten waren zwei Wochen nach den Taten festgenommen worden.

Der Vorsitzende Richter baut den beiden Männern eine goldene Brücke. Da sie keine nennenswerten Vorstrafen hätten, sei er geneigt, die angeklagten Taten als „jugendlichen Unsinn und Blödsinn“ einzuschätzen. Daraufhin gibt vor allem der 20-Jährige, der anders als sein Mitangeklagter noch unter das Jugendstrafrecht fällt, Auskunft. Er habe finanzielle Probleme gehabt, ein Kumpel habe schließlich die Idee mit dem falschen Ebay-Account gehabt. Bei diesem Kumpel habe es sich allerdings nicht um seinen Mitangeklagten, den er seit Kindheitstagen kenne, gehandelt. In Bezug auf den Namen dieses ominösen „Mittäters“ bleibt er schweigsam. Allein, dieses Mäuerchen des Schweigens hält nicht lang. Nach intensiver Befragung durch den Vorsitzenden Richter und vor allem durch den Staatsanwalt gibt er den Namen preis. Sein „Mittäter“ sei der jüngere Bruder seines Mitangeklagten gewesen.

Plötzlich wird der Angeklagte weich

Als dieser Bruder wenig später in den Zeugenstand tritt, wird er umgehend festgenommen. Aus seiner Vernehmung wird nichts, er muss sich schließlich nicht selbst belasten. Zudem hat er das Recht auf einen Strafverteidiger.

Der jüngere Angeklagte wird schließlich wegen besonders schweren Raubs zu einem Jahr und acht Monaten Jugendstrafe verurteilt, der Ältere wegen schweren Raubs zu 16 Monaten. Beide Strafen werden zur Bewährung ausgesetzt. Gegen den festgenommenen Bruder wird gesondert ermittelt.