Olaf Scholz hat als erster Finanzminister einen Investmentbanker als Staatssekretär berufen. Foto: dpa

Mit der Berufung des Deutschland-Chefs von Goldman Sachs, Jörg Kukies, als neuer Staatssekretär im Finanzministerium ist dem neuen Finanzminister Olaf Scholz eine Überraschung gelungen – die nicht unumstritten ist.

Buenos Aires - Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat mit einer überraschenden Personalentscheidung für Aufmerksamkeit gesorgt. Am Rande der G-20-Finanzministerkonferenz in Buenos Aires gab das Ministerium bekannt, dass künftig ein Top-Investmentbanker beamteter Staatssekretär im Finanzressort wird. Jörg Kukies (50), Partner und Vorsitzender des deutschen Teils der US-Investmentbank Goldman Sachs, wird künftig verantwortlich für die Europapolitik und die Finanzmarktpolitik des Ministeriums sein. „Dies soll die ganze Breite der Themen dieses Hauses abdecken“, lässt sich Scholz zitieren. Es ist das erste Mal, dass ein deutscher Finanzminister einen Investmentbanker zum Staatssekretär beruft.

Kukies ist in der Berliner Politik wenig bekannt, er ist allerdings ein Mann mit SPD-Stallgeruch. Der Investmentbanker war früher rheinland-pfälzischer Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos. Er soll beste Verbindungen zur designierten SPD-Parteivorsitzenden Andrea Nahles haben. Zu Diskussionen dürfte führen, dass sich Kukies künftig an herausragender Stelle um die Finanzmarktregulierung kümmert. Aus Ministeriumskreisen hieß es, der Aktienexperte solle sich um die geplante Bankenunion und die Reform der Eurozone kümmern. Minister Scholz lege großen Wert darauf, die Sicht der Praxis in die Verhandlungen mit den europäischen Partnern einzubringen.

Grüne und Linke im Bundestag kritisieren die Personalie: „Olaf Scholz imitiert Donald Trump und macht die Brandstifter zur Feuerwehr“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Fabio de Masi, am Montag. Die Berufung sei ein schwarzer Tag für die Regulierung von Banken und Finanzmärkten. Ähnlich äußerte sich Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick: „Dass ein Sozialdemokrat die Verantwortung für die Bankenregulierung einem Investmentbanker anvertraut, zeigt die Probleme der SPD.“

Dass frühere Goldman-Manager an zentralen Stellen in der Eurozone oder in den USA sitzen, ist kein Einzelfall. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), war früher für die amerikanische Großbank tätig. Der US-Finanzminister Steven Mnuchin hat früher ebenfalls für Goldman gearbeitet. Auch in mehreren EU-Mitgliedstaaten sind frühere Goldman-Banker in leitende Regierungspositionen aufgestiegen. Scholz hatte Kukies die Position angeboten. Der Minister werte es als ein gutes Zeichen, dass jemand aus der Privatwirtschaft bereit sei, im Staatsdienst Verantwortung zu übernehmen. Die Seitenwechsel würden häufig gefordert, aber selten vollzogen, hieß es im Ministerium. Kukies folgt Staatssekretär Thomas Steffen nach, der für Ex-Minister Wolfgang Schäuble die Europapolitik und die internationale Finanzpolitik leitete. Steffen gilt als ein Verfechter von Haushaltsdisziplin und einer strikten Trennung von Haftung und Risiko in der Eurozone.

Scholz hat noch für eine zweite Überraschung gesorgt: Der langjährige Staatssekretär Werner Gatzer, der den Weg zur schwarzen Null im Bundeshaushalt geebnet hat, kehrt als Haushaltsstaatssekretär ins Finanzministerium zurück. Der 59-Jährige, der bereits den Ministern Hans Eichel und Peer Steinbrück (beide SPD) diente, wurde 2009 von Schäuble übernommen. Dies führte damals in der Union zu Diskussionen, da Gatzer SPD-Mitglied ist. 2014 erreichte der Bund zum ersten Mal einen ausgeglichenen Etat. Gatzer war erst zu Jahresbeginn als Vorstandschef zur Bahn-Sparte Station & Service gewechselt, die für die Bahnhöfe zuständig ist. Sowohl er als auch Kukies dürften sich mit dem Wechsel in die Regierung finanziell deutlich verschlechtern.

Scholz entscheidet sich für eine neue Aufgabenverteilung auf der Leitungsebene des Ministeriums. Der Minister, der zugleich Vizekanzler ist, macht seinen langjährigen Vertrauten Wolfgang Schmidt zum Staatssekretär und Chefkoordinator der Regierungspolitik. Der 47-Jährige soll zugleich für die internationale Finanz- und Währungspolitik verantwortlich sein. Bisher war es so, dass die Europapolitik und die internationale Finanzpolitik in der Hand eines Staatssekretärs lagen. Jetzt sind dafür zwei Staatssekretäre zuständig: Kukies und Schmidt. In der Vergangenheit zeigte sich, dass bei internationalen Gipfeln häufig auch die Europapolitik ein wichtiges Thema war. Schmidt hat bisher als Staatsrat die hamburgische Landesvertretung in Berlin geleitet – und war damit Scholz‘ wichtigster Verbindungsmann in die Bundespolitik.

Staatssekretär für die Steuerpolitik wird der langjährige Scholz-Vertraute Rolf Bösinger (52). Er koordinierte als Staatsrat für den Ersten Bürgermeister von Hamburg die Vorschläge zur Bund-Länder-Finanzreform, die den Ländern von 2020 an rund zehn Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen jährlich bescheren soll. Der Ökonom hatte zuvor den Leitungs- und Planungsstab des Bundesarbeitsministeriums geleitet.