Viele Zimmerpflanzen – vor allem exotische – stammen aus Ländern, in denen viele Pestizide eingesetzt werden und die Arbeitsbedingungen schlecht sind. Foto: imago/Westend61/Eva Blanco

Das Wohnzimmer als grüner Dschungel – Stichwort: Urban Jungle. Mit Zimmerpflanzen wollen sich viele Menschen ein Stück Natur in die Wohnung holen. Die Herkunft der Pflanzen ist allerdings oft problematisch. Aber es gibt auch nachhaltige Alternativen.

Stuttgart - Viele Menschen sehnen sich nach Grün und Natur – vor allem diejenigen, die in den Städten wohnen. Umfragen zeigen das schon länger, aber die Corona-Pandemie hat diese Sehnsucht wohl noch verstärkt. Und weil es nicht immer möglich ist, einfach mal eben ins Grüne zu ziehen, holen sich viele ein bisschen Natur in die Wohnung - mit Zimmerpflanzen. In den sozialen Medien, in Blogs und Ratgebern begegnen einem dabei immer häufiger Bilder von Wohnzimmern, die wie ein kleiner Dschungel aussehen. Hashtag: #urbanjungle.

Ich muss zugeben, dass der Trend nicht ganz spurlos an mir vorbeigeht. Ich bin vor kurzem umgezogen, und was mir in der neuen Wohnung fehlt, sind mehr Pflanzen. Ich war auch schon vor der Corona-Zeit gerne und viel in der Natur, aber durch das Arbeiten im Homeoffice und das viele Zuhausesein hat sich das Bedürfnis nach Grün um mich herum definitiv verstärkt. Was mir dabei lange nicht klar war: Zimmerpflanzen aus dem Baumarkt oder Möbelhaus sind meist alles andere als nachhaltig. Deshalb geht es hier darum, wie der Urban Jungle nachhaltiger wird.

Das Geschäft mit den Zimmerpflanzen boomt

Der Trend zu mehr Grün in den Wohnungen zeigt sich auch an den Zahlen. Im Jahr 2019 haben die Menschen in Deutschland 1,9 Milliarden Euro für Zimmerpflanzen ausgegeben, 2020 sei der Markt für Zimmerpflanzen noch einmal um 11 Prozent gewachsen, heißt es laut einem Artikel von Zeit Online von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Die Rede ist von einem richtigen Boom.

Kein Wunder, schließlich sagt man vielen Pflanzenarten luftreinigende Effekte nach - und Studien zeigen, dass sie sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Doch obwohl sich viele Menschen dadurch ein Stück Natur in die eigenen vier Wände holen wollen, ist das, was in den Blumentöpfen steckt, oft nicht besonders umweltfreundlich.

Problem I: Pestizide und torfhaltige Erde

Zum einen ist da die Aufzucht der Pflanzen, die häufig nicht besonders nachhaltig geschieht. „Ein großes Problem ist der Pestizideinsatz beim Anbau der Pflanzen“, sagt Christoph Schramm, Referent für Wald und Landwirtschaft beim BUND Baden-Württemberg.

Beim konventionellen Anbau werde zudem viel gedüngt und häufig torfhaltige Erde verwendet. Torf wiederum wird in Mooren und Feuchtgebieten abgebaut, die – solange sie intakt sind – wichtige Lebensräume für viele Arten sind, vor allem aber auch große Kohlenstoffdioxid-Speicher.

Problem II: Intransparente Lieferketten

Zum anderen sind die Lieferketten intransparent. Oft ist gar nicht klar, woher die Zimmerpflanzen ursprünglich eigentlich kommen. „Auf dem Etikett muss nur angegeben werden, wo die Pflanze als letztes gewachsen ist“, sagt Christoph Schramm. Das sind dann zum Beispiel die Niederlande oder Spanien. Die Herkunftsländer sind meist aber andere. Viele Jungpflanzen oder Samen kommen laut BUND Baden-Württemberg aus Ägypten, Äthiopien, Kenia oder Costa Rica. „Zum Teil gibt es da Raubbau an der Natur, manchmal werden Pflanzen illegal aus dem Regenwald geholt“, sagt Christoph Schramm. Das könne auch dazu führen, dass das Aussterben einiger Pflanzenarten beschleunigt wird.

Dazu kommen in den Herkunftsländern soziale Faktoren wie niedrige Löhne oder fehlende Schutzausrüstung für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die dann wiederum den eingesetzten Pestiziden ausgeliefert sind, erklärt Christoph Schramm. Und schließlich sind da natürlich auch noch die weiten Transportwege, die die jungen Pflanzen zurücklegen müssen, um in die großen Gewächshäuser in den Niederlanden und irgendwann auch bei uns in die Geschäfte zu kommen.

Christoph Schramm jedenfalls sagt, dass er sich wegen all dieser Probleme „auf gar keinen Fall Pflanzen aus dem Baumarkt oder Möbelhaus“ kaufen würde. Aber was sind die Alternativen?

Alternative I: Ableger tauschen oder kaufen

Bund-Experte Christoph Schramm tauscht Ableger gerne mit Freunden und Bekannten. Das ist die nachhaltigste Möglichkeit, findet er. Auch bei eBay Kleinanzeigen findet man inzwischen eine große Auswahl an Ablegern und jungen Pflanzen in der näheren Umgebung.

„Der Vorteil ist dann auch, dass die Pflanzen die Bedingungen in der Wohnung schon gewohnt sind.“ Stammen sie aus dem Gewächshaus, wo ein völlig anderes Klima herrsche, könne das dazu führen, dass die neu gekauften Pflanzen in der Wohnung ziemlich schnell eingehen. Ein weiterer Vorteil: Auch in der Corona-Zeit kommt man so an neue Pflanzen. Und man kann direkt nachfragen, ob Pestizide gegen Schädlinge verwendet wurden.

Alternative II: Pflanzen aus ökologischem Anbau

Eine zweite Möglichkeit ist es, Pflanzen zu kaufen, die aus ökologischem Anbau stammen. Solche Pflanzen erkennt man an den Bio-Siegeln, die es auch bei Lebensmitteln gibt – etwa dem EU-Bio-Siegel oder den Siegeln von Anbauverbänden mit strengeren Kriterien wie Demeter, Naturland oder Bioland. Dem BUND zufolge lag der Anteil von zertifizierten Bio-Pflanzen an allen Zierpflanzen im Jahr 2019 nur bei 1,7 Prozent – und zu den Zierpflanzen zählen nicht nur Zimmerpflanzen, sondern auch Schnittblumen oder Beet- und Balkonpflanzen. Bio-Zimmerpflanzen sind also bisher noch eine ganz kleine Nische.

Laut Andrea Frankenberg, die bei Bioland für das Projekt Bio-Zierpflanzen zuständig ist, liegt das auch daran, dass es hierzulande kaum Betriebe gibt, die Zimmerpflanzen ökologisch kultivieren. Genau genommen kennt sie nur einen einzigen. Auch in den Niederlanden gebe es bisher nur einzelne zertifizierte Gärtnereien. Bei Zierpflanzen allgemein sind es schon etwas mehr bio-zertifizierte Anbieter, einen Überblick gibt es auf der Seite des Projekts Bio-Zierpflanzen im Netz.

Erst die Nachfrage schafft Veränderung, sagt die Expertin

Immerhin: Sowohl Christoph Schramm als auch Andrea Frankenberg sehen einen leichten Trend zu mehr Nachhaltigkeit bei Zimmerpflanzen. „Das Interesse wird größer“, sagt Andrea Frankenberg. Und sie betont: „Es bewegt sich erst dann etwas, wenn mehr Kunden das nachfragen. Die Händler müssen mitbekommen, dass der Bedarf da ist.“

Es kann sich also lohnen, mal im Gartencenter oder beim Baumarkt nachzufragen, woher genau eigentlich die Topfpflanze stammt und wie sie angebaut wurde. Und: Einige Blumenläden setzen auf Pflanzen aus der Region. Ich persönlich habe in letzter Zeit aber auch die Erfahrung gemacht, dass man auch so gut an neue Zimmerpflanzen kommt. Zum Beispiel, in dem man einfach mal bei Freundinnen und Freunden nach Ablegern fragt.

Hanna Spanhel wartet ungern darauf, dass Politik oder Wirtschaft mehr für den Klimaschutz tun, sondern denkt lieber darüber nach, was jede und jeder selbst tun kann. Die Redakteurin kümmert sich ansonsten um die Wissens-Seiten dieser Zeitung.