Engagiert: Veit Görner als Gast unserer Veranstaltungsreihe „Über Kunst“ in der Stuttgarter Galerie Klaus Gerrit Friese. Foto: Leif Piechowski

Wie Veit Görner, Direktor der Kestnergesellschaft Hannover, 100 Leser unserer Zeitung begeistert.

Stuttgart - Er muss viele Hände schütteln – und macht das mit der ihm eigenen Intensität. „Klar, das ist ein Heimspiel“, sagt Veit Görner – „aber toll , wer alles da ist“. Heimspiel? Seit 1992 agiert Görner, von 1987 bis 1990 zweiter künstlerischer Leiter des von Ulrich Bernhard gegründeten Stuttgarter Künstlerhauses, als einer derjenigen, die nach draußen gingen. Zunächst als freier Ausstellungsmacher, dann von 1995 bis 2002 als Kurator an dem von einer Stiftung getragenen Kunstmuseum Wolfsburg, seit 2003 schließlich als Direktor der Kestnergesellschaft in Hannover.

Und auch schon 20 Jahre her ist Görners letzter großer Auftritt in der Region Stuttgart – mit Rudi Fuchs, damals Direktor des Stedelijk Museum in Amsterdam, realisierte er, „anlässlich der Olympiabewerbung“, wie Görner betont, in 19 Städten und Gemeinden der Region Stuttgart ein internationales Skulpturenprojekt. „Platzverführung“ war der Titel, und an einem Beispiel aus dem Stuttgarter Stadtteil Heslach macht Görner deutlich, wie konkret dieser Titel gerade seitens der beteiligten Künstler gesehen wurde.

Ermutiger und einer, der diesen noch zusätzlich Rückenwind gibt

Der Schoettle-Platz war seinerzeit gerade landschaftsarchitektonisch aufgehübscht, „dann“, erzählt Görner, „kam Günter Förg „und hat erst einmal einen niedrigen Zaun um das ganze Areal legen lassen“. Nicht nur, um den „Ort zu definieren“, sondern schlicht auch deshalb, „weil dadurch Bälle vom Platz nicht so leicht auf die Straße rollen“. Kunst als Lebenserleichterung? „Das Zweite, was Förg gesehen hat“, sagt Görner weiter, „war, dass da überhaupt keine Bänke standen.“ Also ließ der vor allem als Maler und Objektkünstler bekannte Förg Bänke aufstellen – „aber“, wie Görner betont, „nicht diese Dinger, auf denen man selbst nicht sitzen kann und Obdachlose nicht schlafen können, sondern richtige klassische Parkbänke“.

„Die Ermutiger“, heißt eine Zeile Wolf Biermanns, „brauchen auch Ermutigung“. Veit Görner, 1953 in München geboren, zeigt sich bei „Über Kunst“ in einer Doppelrolle – als Ermutiger und als einer, der diesen noch zusätzlich Rückenwind gibt. Ein wenig überlegt er, wie immer im dunklen Anzug, hellen Hemd und Stiefeletten, als die Rede auf sein Finale im Künstlerhaus kommt. Zu einer „Lehrstunde der Nachtigall“ (nach einem Titel eines Bildes von Philipp Otto Runge) lud Görner. Doch nicht ins Künstlerhaus, sondern in die seinerzeit von Paul Uwe Dreyer geleitete Stuttgarter Kunstakademie. Werke von Anselm Kiefer, Imi Knoebel, Hanne Darboven, Gilbert & George und Franz Erhard Walther waren versammelt, es ging mithin um eine erste Neubewertung der Kunst der 1970er Jahre.

Warum der Ortswechsel? „Der Ausstellungsraum im Künstlerhaus war definiert“, sagt Görner, „es ging aber gerade darum, die Werke in ihrer Sprache und Wirkung an einem noch unbestimmten Ort erleben zu können.“ Knapp 100.000 Euro Kosten waren für die „Lehrstunde der Nachtigall“ berechnet – bei einem Jahresausstellungsetat im Künstlerhaus von „10.000 Mark, glaube ich“ (Görner). Wie kann man solches dennoch wagen? „Man muss es“, sagt Görner, „und wir haben natürlich gedacht, da kommen 1000 Leute in der Woche. Was Unsinn war, aber man muss einfach ungeheuer viel dafür tun, dass eine solche Ausstellung möglich wird.“

Jährlich mehr als eine Million nötig

Und diese Energie, betont Görner, darf nie erlahmen. Nicht von ungefähr ist er in den auch für ihn beginnenden Osterferien zu Gast bei „Über Kunst“ – „in einer normalen Arbeitswoche habe ich keine Zeit für auswärtige Termine“. „Jeden Abend“, sagt Görner, „bin ich für die Kestnergesellschaft engagiert“ – persönlich bei den Veranstaltungen im Haus oder auch Initiativen der Förderer präsent zu sein sei Voraussetzung, um genügend Unterstützung für ein solches Forum der internationalen Gegenwartskunst zu sichern.

Mehr als eine Million Euro zusätzlich braucht Görner jährlich, und doch gilt das Wort des Engagierten an diesem Abend vor allem all jenen, die „ohne angemessene oder überhaupt ohne Bezahlung einen Kunstverein initiieren oder aufrechterhalten“. Dass es sich lohnt, dabei auf eine klare Programmatik zu setzen, führt Görner noch einmal in die Region Stuttgart. „Denken Sie an die Arbeit im Kunstverein Ludwigsburg. Einer, der dort als Kurator agieren konnte, ist heute Direktor der Neuen Nationalgalerie in Berlin – Udo Kittelmann.“

„Junge Kunst zeigen, die in Deutschland entsteht“

Apropos Berlin, die Hauptstadt sieht Veit Görner noch immer auch als Hauptstadt der Künstler. „Das ist ganz einfach“, sagt er, „selbst wenn ich eigentlich in London lebe, ist es billiger, wöchentlich nach Berlin zu fliegen, um dort zu arbeiten.“ Und dort, wo die Künstler sind, sind die Sammler, sind die Galerien, sind die Ausstellungsmacher. „Das bringt Berlin natürlich wahnsinnig viel“, sagt Görner. Wäre es dann nicht für andere Städte überlegenswert, Arbeitsräume bewusst günstig anzubieten? „Das hat man ja wohl hier und da versucht“, sagt Görner schnell, „auch mit Galerienförderung.“ Aber? „Da kommen dann schon noch andere Dinge dazu“, bleibt Görner diplomatisch.

Klare Worte aber findet er für Pläne aus Brüssel, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Kunstgegenstände auf bis zu 19 Prozent „anzugleichen“: „Da würde natürlich sehr vieles schnell schwierig werden.“ Sicher auch für Großprojekte wie die von Görner mitinitiierte Großausstellung „Made in Germany“.

Erstmals 2007 parallel zur Weltkunstausstellung Documenta 12 in Kassel präsentiert, lädt man in Hannover in diesem Documenta-13-Sommer zu „Made in Germany Zwei“ – und wieder geht es darum, „junge Kunst zu zeigen, die in Deutschland entsteht“. Vor zu viel Kunst-Ereignis hat Görner keine Angst: „Inhalte ohne Vermarktungsmechanismen zu denken wäre nicht nur naiv, sondern unprofessionell“, sagt er .

Das klare Wort kennt man von Veit Görner, Auch, wenn es um die Rolle der Kunst geht. „Wir sind kein Reparaturbetrieb für entleerte Schulstoffpläne“, zieht er eine Grenze des Möglichen in der Vermittlungsarbeit. Zugleich aber gilt: „Zeitgenössische Kunst braucht dringend Erläuterung.“ Wie dieser Widerspruch aufzulösen ist? „Überhaupt nicht.“ „Man muss jeden Tag neu anfangen und alles geben.“

Weiter geht es in unserer Veranstaltungsreihe „Über Kunst“ am Dienstag, 8.Mai. Unser Gast dann ist Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina in Wien. Über die Veranstaltung informieren wir vorab umfassend - und nehmen dann Ihre Anmeldungen gerne entgegen.