Ulrich Wecker, Geschäftsführer des Vereins „Haus und Grund“, verbringt gern Zeit auf der Dachterrasse in der Gerokstraße 3. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart von oben, von seinen Dachterrassen und Dachgärten aus gesehen. Das ist das Thema unserer Sommerserie „Über den Dächern der Stadt“. Wir geben Einblicke in öffentliche und private Dachoasen wie die Dachterrasse des Vereins „Haus und Grund“ in der Gerokstraße 3.

Stuttgart - Seit bald zehn Jahren ist Ulrich Wecker Geschäftsführer des Vereins „Haus und Grund“, der die Interessen von Immobilienbesitzern vertritt. Auf der an sein Büro anschließenden Dachterrasse empfängt Wecker Gäste von auswärts, feiert Sommerfeste – oder beobachtet seltene Naturschauspiele.

„Wenn die Schornsteine rauchen und sich die Kräne drehen, geht es der Wirtschaft gut“, sagt Ulrich Wecker, dreht sich um und richtet seinen Blick Richtung Talkessel. Dort bietet sich ein Stuttgarter Stadtpanorama erster Güte. Die gelben Baukräne verteilen sich über das ganze Blickfeld – die Wirtschaft scheint es demnach zu brummen. Das Rathaus, das neue Dorotheen Quartier, die John-Cranko-Schule: Fast alle namhaften Bauten der Landeshauptstadt hat Wecker im Blick. „Wir sind wie eine kleine Nase, die in die Stadt hineinragt“, sagt der Geschäftsführer über den frisch sanierten Standort des Eigentümervereins Haus und Grund, der diesen seit 1994 sein eigen nennt.

Für die Gäste stehen Bierbänke bereit

Das Gebäude an der Gerokstraße 3 liegt mitten in einer markanten Kurve am Rande der Uhlandshöhe; zwischen Neubauten und hübschen Jugendstilvillen bringt die Stadtbahnlinie 15 Fahrgäste zum Fernsehturm oder nach Stammheim. Ulrich Weckers Büro und das Besprechungszimmer im dritten Stock schließen direkt an den nach Osten gerichteten Teil der das gesamte Stockwerk umgebenden Terrasse an. Hier ist sie besonders breit. „Der Nachteil der Ostseite ist, dass ich morgens erst einmal die Jalousien runterlassen muss, um etwas auf meinem Bildschirm zu erkennen“, sagt Wecker. Aber meckern wolle er nicht, seine Dachterrasse genießt er in vollen Zügen. „Mein Chef hat sogar mal gesagt, dass ich eigentlich Miete dafür zahlen müsste“, scherzt der quirlige Rechtsanwalt in dunklem Anzug, Blau-Weiß gestreiftem Hemd und grüner Krawatte.

In den Genuss des schönen Stadtblicks lässt er auch andere kommen. Die akkurat an der Westseite aufgereihten Bierbänke deuten darauf hin, dass der saure Arbeitseifer auch Ausnahmen kennt: Im Sommer veranstaltet der Verein Grillfeste, und wenn neue Mitarbeiter kommen, begeht man das gebührlich auf der Dachterrasse. „Einmal im Jahr haben wir Tag der offenen Tür, dann ist die Terrasse allen zugänglich“, erzählt Ulrich Wecker, der auch geschäftliche Telefonate gerne mal im Freien führt.

Gästen von auswärts könne er von hier aus besonders gut erklären, was den Immobilienstandort Stuttgart auszeichnet. „Luftschneisen, Hanglagen – die wohntechnischen Besonderheiten erschließen sich leicht, wenn man hier oben steht“, sagt Wecker, der den Geschäftsführerposten 2007 übernommen hat. Selbst Stadthistorie könne er schnell verdeutlichen, sagt er, und zeigt auf den Monte Scherbelino am Horizont, erkennbar an einem einsamen, aus der grünen Masse herausragenden Baum. „Besonders für den Hausbau in der Stadt ist der Monte Scherbelino ein bedeutsamer Ort“, sagt Wecker und erinnert an den verheerenden Verlust an Bausubstanz im Zweiten Weltkrieg.

Ein Platz zum tief Luft holen

Fernab von Beton, Baukränen und der städtischen Betriebsamkeit wurde Wecker vor kurzem Zeuge eines ungewöhnlichen Naturschauspiels. Eine kleine Fuchsfamilie hat sich nämlich im angrenzenden Privatgrundstück eingerichtet. Mitarbeiter machten den Geschäftsführer auf das unverhoffte Spektakel aufmerksam. „Die sind kein bisschen scheu“, sagt Wecker immer noch etwas erstaunt. Regelmäßig hat er so von der schmalen Nordseite der Terrasse aus beobachtet, wie vier bis sechs junge Stadtfüchse am Hang herumtollten. Solche Auszeiten genießt Wecker, denn sie sind rar gesät.

Als Geschäftsführer des 1902 gegründeten Haus- und Grundbesitzervereins vertritt er die Interessen von 20 000 Mitgliedern, die zusammen mehr als 100 000 Wohnungen besitzen. „Wenn man Scherereien mit Mietern hat oder Ärger mit dem Fiskus, wenn man energetisch sanieren will oder seine Wohnung altersgerecht umbauen – da sind wir der Ansprechpartner“, sagt Wecker. Gut also, dass er hier oben tief Luft holen kann, wenn der Stress mal größer ist. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.serie-ueber-den-daechern-der-stadt-die-juhe-auf-halbhoehe.8635b510-03e5-4822-bfeb-57bc822c35c0.html