Camping-Kalle (Christoph M. Ohrt) und Desiree (Diana Amft) kommen anfangs gar nicht gut miteinander zurecht. Foto: ARD Degeto/Sandra Hoever

In der sympathischen Komödie „Camping mit Herz“ (ARD) begegnen sich ein abgehalfterter Schlagersänger und eine Zeltplatzbetreiberin.

Stuttgart - Abgehalfterter Schlagersänger mit Zeltplatzphobie trifft Campingplatzbetreiberin kurz vor der Pleite: Das klingt nach einem Komödienstoff der Kategorie „Was gab’s noch nicht?“ Die Geschichte ist allerdings tatsächlich originell: Karl-Heinz „Camping-Kalle“ Sollheim (Christoph M. Ohrt) hatte einst einen einzigen Hit, „Unter der Sonne“, und den muss er nun wieder und wieder zum Besten geben. Er selbst sieht sich dagegen als Countrysänger, aber das will niemand hören. Tess (Isabell Gerschke), die nimmermüde Agentin des Sängers, hat ein Gewinnspiel mit einem Radiosender arrangiert: Der Sieger darf Kalle eine Nacht auf seinem Campingplatz beherbergen.

Kalle landet in „Camping mit Herz“ also auf dem ziemlich heruntergekommenen Ostseezeltplatz meeresglück. Dass der Name kleingeschrieben wird, hat seine Bewandtnis, wie sich später zeigt. Martha (Nina Franoszek) sieht in Kalle die letzte Chance, ihren Zeltplatzbetrieb zu retten. Kalle hasst Camping zwar, weil er als Kind für eine Weile im Zelt leben musste, macht aber gute Miene zum bösen Spiel. Weil sich der vermeintlich arrogante Star als ganz sympathisch entpuppt, belohnt ihn der Film mit einer Romanze. Aber jetzt wird’s seltsam.

Desiree hasst alle Männer

Die Ungereimtheiten beginnen mit dem ersten Auftritt von Mutter und Tochter Desiree (Diana Amft), denn Nina Franoszek und Amft wirken eher wie Schwestern; tatsächlich ist Franoszek nur zwölf Jahre älter als die Kollegin. Noch irritierender sind die Versuche Marthas, ihre Tochter mit Kalle zu verkuppeln. Ohrt (Jahrgang 1960) trägt für diese Rolle einen weißen Vollbart, der ihm zwar gut steht, ihn aber keinesfalls jünger aussehen lässt. Außerdem wirken Desirees Feindseligkeiten gegenüber Kalle völlig unmotiviert.

Die Rechtfertigung des Drehbuchs (Andy Cremer, Josh Broecker) ist nur halbwegs plausibel: Desiree hat offenbar einen Hass auf alle Männer, seit ihr eigener Mann sie verlassen hat. Der Ex, Werner (Peter Schneider), betreibt den riesigen und ungleich moderneren Campingplatz Meeresglück (großgeschrieben) ganz in der Nähe. Er war es, der das Preisausschreiben gewonnen hat; Martha hat ihm den Sänger am Bahnhof vor der Nase weggeschnappt.

„Camping mit Herz“ hat einige schöne Momente zu bieten. Die Szene, in der sich Kalle und Desiree erstmals näherkommen, als sie einander von ihren toten Vätern erzählen, ist sehr berührend. Auch die teilweise recht melancholische Musik passt sehr gut. Dass Kalle mehr als ein nörgeliger Ex-Star ist, belegen die warmherzigen Telefonate mit seiner Mutter (Margot Nagel), der er schließlich ein zu Herzen gehendes Abschiedslied widmet.

Das handwerkliche Niveau des Films ist dank Regisseur Josh Broecker exzellent

Ohrt singt seine Songs selbst und macht das derart gut, dass man zweimal hinhören muss, um seine Stimme zu erkennen. Von ähnlicher Qualität ist auch die Bildgestaltung (Eckhard Jansen), weil die herbstlichen Aufnahmen die Stimmungen der Geschichte perfekt widerspiegeln. Der erfahrene Regisseur Josh Broecker steht dank diverser Reihen- und Serienepisoden ohnehin für ein gutes handwerkliches Niveau. Herausragende Produktionen wie etwa die ARD-Trilogie „Eltern allein zu Haus“ sind in seiner Filmografie allerdings eher selten.

Auch „Camping mit Herz“ gehört in die Abteilung „Gebrauchsfernsehen“: Kann, muss aber nicht. Es gibt witzige kleine Missgeschicke, aber auch unnötig übertriebene Momente (Werner spuckt sein Essen aus, als er Desiree mit Kalle im Fernsehen sieht). Größtes Manko ist jedoch die fehlende Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern: Ohrt und Amft fremdeln viel zu sehr miteinander, um es jenseits der Verbalinjurien unterschwellig knistern zu lassen. Vielleicht war in einer früheren Drehbuchversion ja eine Romanze zwischen Kalle und Martha geplant; das wäre nicht nur plausibler und realistischer gewesen, sondern hätte womöglich auch schauspielerisch besser funktioniert.