Toni (Kida Khodr Ramadan, re.) trotzt dem Polizisten Kutscha (Oliver Masucci). Foto: TNT

Die TNT-Serie „4 Blocks“ erzählt vom kriminellen Treiben eines libanesischen Clans in Berlin. Die zweite Staffel ist so energisch inszeniert und so gut gespielt wie die erste. Aber sie schildert das Milieu distanzloser. Hier werden den Kids düstere Helden angeboten.

Berlin - Wie realistisch sind die Gangster des Kinos und Fernsehens? Diese Frage ist immer schon falsch gestellt worden. Richtig muss sie lauten: Wie attraktiv sind diese Gangster? Schon als Hollywood in den Dreißigern fasziniert von Al Capone und seinen harten Jungs erzählte, saßen ebendiese harten Jungs im Kino und ließen sich vorführen, wie sie wirkungsvoll und stilecht auftreten konnten.

Auch die deutsche TV-Serie „4 Blocks“ steht nun in der gruseligen Traditionslinie einer Sittenschule der Verrohung: Sie erzählt vom Machtkampf des libanesischen Clans der Hamadys in Berlins Unterwelt, und jede Menge Kids scheinen das begeistert als Galerie knallharter, cooler Vorbilder zu nehmen. Wer den Abenteuern der Hamadys folgt, kann auch an Stuttgarter Stadtbahnhaltestellen Gesten und Sätze erhaschen, die wirken, als wollten sich da welche als Komparsen für die nächste Staffel „4 Blocks“ bewerben. Wallah, Habibi! Also: Ich schwör’s bei Gott, Alter!

Zurück im Milieu

Die zweite Staffel, die derzeit bei TNT Serie läuft, gab es vorab nicht komplett für die Presse zu sehen. Trotzdem sind scharfe Urteile zu lesen, die man so zusammenfassen kann: Sehr viel stärker als die erste Staffel werfe sich die Fortsetzung den Gangstern an den Hals, heroisiere sie, hinterfrage ihr Treiben nicht mehr.

Tatsächlich war Toni Hamady (Kida Khodr Ramadan) zu Beginn der ersten Staffel gerade dabei, aus den Verbrechensgeschäften auszusteigen. Eine große Krise des Clans trieb ihn wider Willen zurück ins Milieu, die Drehbuchautoren folgten da ganz dem Vorbild von Francis Ford Coppolas Klassiker „Der Pate“. Sie bauten aber zusätzlich einen Undercover-Cop ein, der den Clan infiltrierte und damit die Richtigkeit von dessen Selbststilisierung und Gesetzen infrage stellte.

Toni wird skrupellos

Der Blick von außen fehlt der zweiten Staffel weitgehend. Die Erzählung nimmt vor allem die Perspektive der Hamadys ein, die sich im Kampf mit einem anderen libanesischen Clan, mit tschetschenischen Rivalen und mit der deutschen Polizei befinden. Toni hat seine Aufgabe als Clanboss nun verinnerlicht und agiert skrupellos. Sein viel impulsiverer, brutalerer Bruder Abbas (Veysel Gelin) ist noch immer ein Risikofaktor, doch seine aggressive Draufhau-Mentalität wird von den Regisseuren Oliver Hirschbiegel („Das Experiment“, „Der Untergang“) und Özgür Yildirim („Nur Gott kann mich richten“) nun eher als männliches Prachtgehabe eines Großstadtraubtiers dargestellt.

Wer „4 Blocks“ für eine Denunziation von Menschen mit Migrationshintergrund hält, auch diese Kritik gibt es ja, der muss einiges ausblenden. Vor allem, welche Probleme die Polizei in vielen deutschen Großstädten gerade mit libanesischen Clans hat, die Strukturen organisierter Kriminalität aufgebaut haben. Wer „4 Blocks“ einen Milieuporno nennt, ist da schon näher dran an der Wahrheit.

Alles wird Durchsetzungskampf

Dieser Ausdruck macht die Energie der Erzählung, die Faszinationskraft von Milieu und Figuren und Handlungen deutlich. Alle unterschwelligen Konflikte der Gegenwart werden hier entweder zum offenen Durchsetzungskampf – oder durch ihre Abwesenheit für nichtig erklärt. In der Welt der Hamadys ist Mikroplastik in den Weltmeeren kein Thema. Und die Idee, die Deutschen gäben mit einer Leitkultur das Leben der Neubürger vor, würde Hohngelächter auslösen. Man darf beängstigend finden, wie sich diese Identifikationsfiguren auf die integrationsfernen Kids der Parallelgesellschaften auswirken werden.

Ein kluger Kopf wie Toni Hamady aber könnte der Mehrheitsgesellschaft sagen, sie messe mit zweierlei Maß. Coppolas „Pate“ hat nicht nur der amerikanischen Mafia als Stilbuch gedient, und Brian De Palmas „Scarface“ war lange ein Kultfilm auch bei Migrantenkindern in Deutschland. Die Alarmglocken schrillen aber erst jetzt, wo die Helden der Zugewanderten keine Abendländer mehr sind, sondern selbst Zugewanderte. Da hätte Toni ein bedenkenswertes Argument.

Info: TNT Serie, empfangbar über diverse Anbieter wie Sky, Unity Media und Telekom. Später auch bei Amazon Prime, als Kaufversion dort jetzt schon erhältlich.