Noch im Glück: Nicole (Lilith Häßle) und Friedrich (Nicki von Tempelhoff) Foto: HR/Bettina Müller

Der Fernsehfilm „Ein Schritt zu viel“ im Ersten erzählt von der Beziehung eines Bankers und eines Escort-Girls. Er will kein Sugardaddy sein, sie nicht seine bezahlte Geliebte. Das wird eine Weile schön und dann sehr schwierig.

Stuttgart - Ein edles Apartment, mietfrei. 1500 Euro Taschengeld jeden Monat, an keine Bedingung geknüpft, damit der Kopf frei bleibt fürs Jurastudium. Ein Luxus-Laptop, damit die Arbeit leichter von der Hand geht. Der Banker Friedrich Benning (Nicki von Tempelhoff) zeigt sich großzügig gegenüber seiner jüngeren Freundin Nicole (Lilith Häßle). Ist das Berechnung oder Herzlichkeit, Manipulation oder Fürsorge? Ist Nicole eine gekaufte Frau, eine behütete Freundin, eine in den emotionalen Schwitzkasten genommene Selbstverkäuferin? Der ARD-Film „Ein Schritt zu viel“ von Regisseurin Katharina Bischof und Autor Ulli Stephan erzählt von einer seltsamen Beziehung.

Kennengelernt hat Friedrich Nicole in einer Kneipennacht, zu der ihn ein Kollege eingeladen hat. Sie hatten viel Spaß mit zwei netten Frauen, und erst nach dem Abschiedskuss begriff Friedrich, dass die Frauen so gekauft waren wie die Drinks, dass Nicole und ihre Freundin bei einem Escortservice jobben. Trotzdem oder gerade deswegen geht ihm die neue Bekanntschaft nicht aus dem Kopf. Er bleibt dran, und anfangs ist das Ungleichgewicht zwischen den beiden spannend für die junge Frau. Aber bald wohl auch erdrückend. Sie hat eine Zukunft, Friedrich eine Vergangenheit, zwei ausgewachsene Kinder, eine Ex-Frau, die ihn irgendwann verlassen hat. Vielleicht, weil Sanftheit und Freundlichkeit, gemischt mit Entschlossenheit, eine ungewollte, aber schlimme Form der Tyrannei sein kann.

Treue oder Stalking?

Nach dem, was uns Rückblenden zeigen, hat Nicole Friedrich zumindest anfangs nicht ausgenutzt. Sie war nicht auf der Suche nach einem Sugardaddy, hat nie nach etwas gefragt. Sie hat ihm auch nichts vorgemacht. Ihre Zärtlichkeiten waren so ehrlich wie später ihr Wunsch, sich zu lösen. Aber wenn etwas Schönes doch nicht klappt, kann das Ende hässlich werden.

Friedrich könnte wütend und verletzend sein, doch er will nicht schneiden, leiden lassen, trennen. Er will halten. Er versichert Nicole, er möchte Teil ihres Lebens bleiben, ein selbstloser Freund. Er überwindet sogar den Schock, als die Frau, die er braucht, als sei sie ein externes Herz, das ihm hilft, sein Blut in Bewegung zu halten und nicht zu erstarren, einen jungen Mann vorstellt. Mit dem ist sie fest zusammen, bekommt ein Kind von ihm. Ist Friedrichs Treue platonische Hingabe? Oder gehobenes Stalking? Mehr und mehr scheint das jedenfalls Grenzen zu überschreiten und alle Beteiligten zu zermürben.

Die missbilligende Polizei

Häßle und Tempelhoff sichern ihre Figuren souverän ab gegen vorschnelle Beurteilungen. Vielleicht kommt einem auch nur alles außergewöhnlich vor, weil der Banker die Mittel hat, sein Klammern mit Grandezza zu inszenieren, vielleicht ist das alles sogar eine alltägliche Geschichte. Aber sie wird im Abendprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens erzählt, also beginnt sie wie die Abendprogramme so oft mit einer Leiche, und Struktur gibt den Rückblenden eine polizeiliche Ermittlung. Das banalisiert und ritualisiert hier einiges.

Es gibt eine Tradition des TV-Krimis, zwar vom ungewöhnlichen Leben zu erzählen, aber die ermittelnden Beamten als Agenten der Normalität stets missbilligend nachfragen zu lassen, damit die Zuschauer sich ihrer Werte gewiss bleiben können. Diese Tradition scheint hier durch, und so werden die Vernehmungsszenen die schwächsten des Films. Von dieser Mischung aus Liebe und Bedrängung hätte sich ohne Mördersuche viel inniger erzählen lassen.

Ausstrahlung: Im Ersten, Mittwoch, 11. November, 20.15 Uhr & 12. November 2020, 00:25 Uhr. Auf One am 15. November um 20.15 Uhr. Nach Erstausstrahlung 6 Monate in der ARD-Mediathek abrufbar.