Sattelt seine Pferde in Stuttgart: Michael Jung, hier beim Stuttgart German Masters 2015 auf Sportsmann. Foto: Baumann

In einer globalen Reitserie geht es um insgesamt zehn Millionen Euro Preisgeld – da kann Stuttgart nicht mithalten, dennoch genießt das Stuttgart German Masters einen ausgezeichneten Stellenwert.

Stuttgart - Tradition und Prestige mögen im Reitsport wichtig sein, doch davon wird kein Pferd satt. Es braucht erstklassiges Futter sowie ein fähiges Team aus Pflegern, und das kostet sein Geld – also hat Jan Tops, einst erfolgreicher Springreiter, 2006 die Global Champions Tour (GCT) erfunden, die mithilfe von potenten Sponsoren aus dem Luxusbereich die Preisgeldsumme in diesem Jahr auf rund zehn Millionen Euro schraubte. Geritten wird an extravaganten Lokalitäten wie Mexiko-Stadt, Miami Beach, Shanghai, Doha und vielleicht auch einmal vor dem Brandenburger Tor in Berlin. „Wir wollen den Sport mehr Menschen näherbringen“, begründet der Niederländer seinen geschäftigen Eifer, „und daher die besten Reiter in Aktion zeigen.“ Rolf-Göran Bengtsson gehört dazu, der Schwede wurde kürzlich Champion der Global Champions Tour, er hat in dieser GCT-Saison rund 800 000 Euro gewonnen. Da müssen weder seine Pferde noch die Pfleger Hunger leiden.

Gewinnsumme im Springen liegt bei 400 000 Euro

Das Stuttgarter Turnier kann einen derart hohen (Geld-)Oxer nicht überspringen, die Gewinnsumme im Springen liegt bei rund 400 000 Euro plus zwei Oberklasse-Fahrzeuge, was für eine Autostadt durchaus adäquat erscheint. Zwar schätzen Reiter die Fortbewegung mit mehr als einer Pferdestärke, doch Autos sind kein allzu verlockender Anreiz, ein Spitzenpferd zu satteln. Stars wie Ludger Beerbaum haben in ihrer Karriere über 100 Karossen gewonnen, chauffieren können sie gleichzeitig nur eine – weshalb sie regelmäßig Neuwagen verscherbeln müssen. Prämien in Euro oder Dollar sind weit willkommener.

Und doch sind 30 000 Euro Prämie, wie etwa für Platz zwei beim Großen Preis von Stuttgart, lediglich etwas, das der Schwabe als „Nasenwasser“ bezeichnen würde. Die Kosten, die ein Reitsport-Unternehmer begleichen muss, liegen im Millionenbereich. Auch wenn in Stuttgart keiner zum goldenen Reiter wird, kann Gotthilf Riexinger damit prahlen, dass in der Schleyerhalle in den Disziplinen Springen, Dressur, Fahren und Vielseitigkeit die Weltranglisten-Führenden antreten. „Bei uns finden die Reiter erstklassige Bedingungen für ihre Tiere und sich vor, zudem kommen viele Fans in die Halle“, sagt der Turnierchef, „das ist bei der Global Champions Tour nicht grundsätzlich so.“ Und weil das allgemeine Interesse hoch sei, berichten die Medien entsprechend, erläutert Riexinger, „und diese Medienpräsenz wiederum erfreut die Sponsoren der Reiter“.

Aussicht auf Weltcup-Punkte ziehen bei den Stars

Alles schön und gut und zutreffend, allerdings, so artikulieren sich Szenekenner, würden diese Trümpfe kaum stechen, trüge Stuttgart nicht das Prädikat „Weltcup-Turnier“. „Nur weil es Weltcup-Punkte gibt, kommen die Stars an den Neckar“, sagt ein Insider, „andernfalls würde es mau aussehen.“ Ganz so extrem sieht es Gotthilf Riexinger freilich nicht, doch auch er räumt ein, dass der sportliche Wert der Veranstaltung damit deutlich aufgewertet wird. „Fraglos profitieren wir davon“, sagt der Reutlinger, „und auch davon, dass auf diese Weise über den Weltverband FEI etwas Geld in die Kassen kommt.“ Stuttgart ist in Deutschland der einzige Ort, in dem es im Springen, in der Dressur und im Fahren um Weltcup-Punkte geht, die übrigen Standorte heißen Leipzig (Springen, Fahren) und Neumünster (Dressur). Diese Konzentration ist ebenfalls Ausdruck der Bedeutung des Standorts Stuttgart im internationalen Terminkalender.

Die Reitszene benötigt beides – globale Serien, auf denen satte Prämien locken, und Turniere, bei denen vor vielen Pferdefans um sportliche Meriten geritten wird. Eine friedliche Koexistenz, wie einst zwischen Ost und West: Man mag sich nicht wirklich, aber man muss miteinander leben.