Jubel über Gold in Baku: Fabian Hambüchen. Foto: dpa

Bei den Europaspielen in Baku lässt sich Fabian Hambüchen am Reck auch von einer Verletzung nicht bremsen. Jetzt geht es mit Rückenwind auf den Weg zu den Olympischen Spielen nach Rio.

Stuttgart/Baku - Fabian Hambüchen (27) ist ein Sportler, der von den Emotionen lebt, der Kraft aus ihnen zieht – und der sein Innerstes auf der großen Bühne gerne mal nach außen kehrt. So ist das während eines Wettkampfs, und so ist das meist auch danach. Vor allem dann, wenn der Turnstar vom MTV Stuttgart etwas gewonnen hat. Bei den Europaspielen in Baku war es mal wieder so weit. Hambüchen hatte zuvor am Reck brilliert und den Titel geholt, die Siegerehrung stand auf dem Programm – und wer genau hinschaute, der konnte die Bedeutung des Erfolgs in Hambüchens Gesicht ablesen. Lautstark schmetterte er die Nationalhymne, er schaute nach den letzten Takten ergriffen zur Hallendecke und schloss die Augen. Hambüchen genoss den Moment. Er war den Tränen nahe.

Danach sprach er über seine großen Gefühle auf dem Podest. „Ich habe schon lange wieder auf diesen Moment gewartet“, sagte Hambüchen, „es war einfach ein super Gefühl, ich hab’ es echt vermisst, und es ist schön, dass ich das seit langem mal wieder hatte. Wenn ich an die Siegerehrung denke, bekomme ich schon wieder Gänsehaut.“

Nach seinem ersten internationalen Einzel-Titel seit 2009 waren die Freude und die Erleichterung fast schon zu greifen, was kaum verwunderte angesichts der schwierigen Vorgeschichte. Nach einer Grippe im Januar geriet Hambüchens gesamter Jahresplan durcheinander, die Schulter bereitete zudem Probleme, im Mai sagte er auch den Challenge Cup in São Paulo ab. „Es waren harte drei bis vier Wochen, die wir jetzt unterwegs sind, in denen ich viel gekämpft habe, zwischendurch auch verzweifelt war“, berichtete Hambüchen über den Weg nach Baku, wo der Turnstar nun mit großer Souveränität überraschte.

Die war sogar so groß, dass er während seiner Reck-Darbietung sein Programm veränderte. „Die Stange war recht glatt, da wollte ich in der Endphase nichts riskieren, habe ein bisschen was rausgenommen“, erklärte er. Sein technischer Schwierigkeitsgrad lag damit nur noch bei 7,0, dies genügte aber, um den zweitplatzierten Griechen Vlasios Maras in Schach zu halten.

Eine Blessur des Mittelfingers der linken Hand bremste ihn nicht bei seinem Höhenflug. Nach dem Rückflug an diesem Montag soll eine MRT-Untersuchung die Schwere der Verletzung zeigen. „Im Normalfall ist es eine Kapselbandverletzung, das braucht ein bisschen Zeit“, sagte Hambüchen, der auch am Boden überzeugte und die Silbermedaille holte.

Die Aussagekraft für ein mögliches Reck-Finale bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio ist angesichts des Fehlens von Olympiasieger Epke Zonderland aus den Niederlanden sowie der außereuropäischen Weltspitze in Baku allerdings stark begrenzt. „In Rio wird es am schwersten“, sagte der zweimalige Olympia-Medaillengewinner Hambüchen über seine Chancen auf das ersehnte erste Gold im vierten Anlauf. „In Peking 2008 wäre es am einfachsten gewesen, da habe ich es aber nicht geschafft. London 2012 war geil, aber Epke war besser“, sagte er.

Bei der WM in Glasgow (23. Oktober bis 1. November) soll nun erst mal die Qualifikation für Rio gelingen. Waleri Belenki, Trainer im Stuttgarter Kunstturnforum, traut Hambüchen später den großen Wurf zu. „Mit der Goldmedaille in Baku hat er ein dickes Ausrufezeichen gesetzt“, sagte Belenki, „in dieser Verfassung gehört er in Rio sicher zu den Medaillenkandidaten am Reck.“