Emelie Petz hofft auf ein WM-Ticket. Foto: Baumann

Emelie Petz musste in ihrem Turnleben schon mehrfach Rückschläge verkraften, doch sie ist immer wieder aufgestanden. Nun ist die 16-Jährige ihrem großen Ziel sehr nahe gekommen: der Teilnahme an der WM in Stuttgart.

Worms - Der Schwebezustand soll nicht mehr lange vorhalten. Am Dienstag wird bei Emelie Petz irgendwann das Handy klingeln. Kurz darauf wird die 16-Jährige von Bundestrainerin Ulla Koch erfahren haben, ob sich ihr Traum von einer Weltmeisterschaftsteilnahme in Stuttgart in diesem Jahr erfüllt. Bis dahin, davon zeigte sich die Turnerin am Wochenende überzeugt, „werde ich unruhige Nächte haben“.

Nur zwei Deutsche besser

Bei einem Länderkampf am Samstag in Worms bekamen die neun Kandidatinnen, die für einen der fünf Plätze in der Nationalmannschaft beim Großereignis infrage kommen, noch einmal die Möglichkeit, sich dafür zu empfehlen. Petz hatte schon vor dieser zweiten Qualifikation gute Karten, gewann sie doch die erste Entscheidung zwei Wochen zuvor in der Stuttgarter Scharrena. Auch diesmal leistete sich die Schülerin keinen größeren Fehler und belegte beim Sieg der deutschen Riege mit 163,80 Punkten vor Belgien (161,25) und Frankreich (161,15) in der internationalen Mehrkampfrangliste mit 53,60 Punkten den vierten und in der nationalen den dritten Platz hinter ihrer Stuttgarter Trainingskollegin Elisabeth Seitz (54,60) und der Chemnitzerin Sophie Scheder (53,85).

„Es war grandios, dass ich wieder allen zeigen konnte, dass ich es kann“, sagte Petz. „Ich habe mein Bestes gegeben“; nun obliegt es anderen, ob das reicht, um sich als Küken in die routinierte Riege einzureihen. Teamchefin Koch überlässt die Entscheidung einem Computerprogramm, in das sie die jeweils besten Ergebnisse der potenziellen WM-Starterinnen einspeist, um dieses die vermeintlich stärkste Mannschaft zusammenstellen zu lassen. Eine „Bauchentscheidung“ soll es nicht geben. Am Donnerstag steht bei einem Medientag am WM-Standort die öffentliche Verkündung an.

Vorschusslorbeeren für die 16-Jährige

„Ich glaube, ich würde erst mal anfangen zu weinen, und nicht wissen, was ich tun soll“, sagte Petz mit Blick auf mögliche positive Nachrichten. Sehr hart hat sie in den vergangenen Monaten daran gearbeitet, dorthin zu kommen, wo sie gerade steht. Mit vielen Vorschusslorbeeren war die im Nachwuchsbereich dominierende Jugendliche in ihr erstes Aktivenjahr gekommen. Das Debüt bei den Europameisterschaften im Frühjahr in Stettin verlief allerdings enttäuschend. Nach einer Fußoperation, wegen der sie 2018 den Flug zu den Olympischen Jugendspielen nach Buenos Aires verpasste, ging die Allmersbacherin nur am Stufenbarren und am Schwebebalken an den Start und brachte beide Übungen nicht ohne Sturz zu Ende.

Doch die Jugend-EM-Teilnehmerin ist Rückschläge gewöhnt. Im Verlauf ihrer Karriere hatte Petz schon ungewöhnlich oft mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Wieder aufzustehen, gehört fast zur Routine. Es geht nur darum, sich nicht zu scheuen, die richtigen Helfer zu finden. Während Physiotherapeuten sie dabei unterstützen, den angeschlagenen Körper wieder in Form zu bringen, arbeitet die Sportlerin seit diesem Jahr auch mit einer Mentaltrainerin zusammen. Das Erwachsenwerden bringt es mit sich, das zuvor Selbstverständliche zu hinterfragen. „Früher habe ich eine Aufgabe bekommen und einfach erledigt“, sagt Petz. Jetzt gibt es da viel mehr Gedankenspiele. „Auf dem Niveau, auf dem ich jetzt bin, kann man sich da nicht mehr selbst helfen“, sagt sie nachdenklich.

Selbst kreierter Abgang am Barren

Die Reife, die aus solchen Worten spricht, hat sich die dreifache Medaillengewinnerin der deutschen Meisterschaften 2019 zugelegt, weil sie durch ihr herausragendes Können stets die Jüngste war in ihrem Umfeld. Der Gedanke, es auch bei der WM zu sein, schreckt sie daher nicht. „Mit den Größen, mit denen ich dann zusammen wäre, kann mir nichts passieren.“ Sollte sie eine Frage haben, könnte sie sich immer an diese wenden.

Passiert war im Juni trotzdem noch einmal etwas. Ein Außenbandanriss am Fuß hemmte erneut das Training. Am Boden, wo die ehrgeizige Akrobatin ihr Programm aufstocken wollte, und auch am Sprung musste sie deshalb kürzer treten, übte in der Vorbereitung auf die beiden Qualifikationen an diesen beiden Geräten nur das Nötigste. Eine Besonderheit hat sie derweil an den beiden Holmen vorzuweisen, wo sie einen selbst kreierten Abgang, einen gehockten Salto mit ganzer Schraube aus einem Stalderumschwung heraus, beherrscht.

Olympia-Traum lebt

Mit diesem und dem Rest ihres Könnens im Oktober vor großer Kulisse zu imponieren und dem Team zu helfen, das Ticket für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio zu lösen, wäre „einmalig“. Der Vater würde dafür in der nur 25 Minuten entfernten Heimat eine Busladung voller Fans organisieren. Doch noch versucht Petz am Boden zu bleiben. Nur nicht abheben, bevor das Telefon klingelt.