Bis zum 24. Juni können die in Baden-Württemberg lebenden Deutschtürken ihre Stimme abgeben – in Karlsruhe oder in Stuttgart-Zuffenhausen. Foto: Oliver Willikonsky - Lichtgut

Die ersten Deutschtürken haben in Stuttgart ihre Stimme bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei abgegeben. Wir haben ein Stimmungsbild vor dem Wahllokal eingeholt.

Stuttgart - Türken, die in Stuttgart und der Region leben, sind zur Zeit im Wahlfieber. Wer von ihnen die türkische oder die doppelte Staatsbürgerschaft hat, darf seine Stimme abgeben. Am vergangenen Donnerstag kamen die ersten Wähler in die Dependance des Generalkonsulats in der Zuffenhausener Lorenzstraße. „Wählen ist hier bis zum 19. Juni täglich von 9 Uhr bis 21 Uhr möglich. Ab 20. Juni schicken wir die Umschläge mit den Stimmen in die Türkei. Am Tag der Präsidentschaftswahl am 24. Juni werden sie geöffnet und ausgezählt“, sagt Ümit Duran, der Konsulatssprecher. Er hofft auf eine ähnlich hohe Wahlbeteiligung wie jüngst beim Referendum für die neue Verfassung.

Im Gebäude sind werktags 14 Wahlräume eingerichtet worden. Am Wochenende, bei größerem Andrang, sind es 20. In jedem steht eine Urne mit mehreren Wahlhelfern, darunter Vertreter der drei größten Parteien, also der regierenden AKP, der ultranationalistischen MHP, dem Koalitionspartner der AKP, und der größten Oppositionspartei CHP. Als Beobachter dabei sind Mitglieder der als prokurdisch bezeichneten HDP.

Die Kleidung sagt viel über die Wähler

Unter den Wählern in Zuffenhausen ist die Stimmung ebenso gespalten wie in der Türkei selbst. Schon anhand der Kleidung, vor allem bei Frauen, lassen sich die Differenzen ausmachen. Erdogan-Anhängerinnen kommen oft mit wallenden Gewändern und Kopftuch, junge Frauen mit fortschrittlich-regierungskritischem Anspruch tragen zwar keine Miniröcke, aber nicht selten demonstrativ hautenge lange Hosen.

Zu den letzteren zählt die Stuttgarterin Aynur Karakaya. Sie outet sich als Anhängerin der oppositionellen HDP: „Wir sind in einer schlechten Position, weil viele unserer Mitglieder verhaftet worden sind. Trotzdem glaube ich, dass wir die Zehn-Prozent-Hürde überspringen. Uns ist wichtig, dass Europäer als Wahlbeobachter in die Türkei fahren und faire Wahlen gewährleisten.“ Ihre Freundin Filiz Virins ergänzt: „Solange in der Türkei Ausnahmezustand herrscht, gibt es keine faire Wahl. Es ist wichtig, dass Wahlbeobachter aus dem Ausland verhindern, dass manipuliert wird.“ Ein 63-Jähriger aus Stuttgart hat ein klares Ziel: „Wir wollen die Diktatur von Erdogan beseitigen. Er will die Türkei nur für Türken und den Islam. Wir sind Kurden und Aleviten. Ich will eine Demokratie in der Türkei.“ Ein 58-Jähriger aus Stuttgart drückt sich drastischer aus: „Ich will, dass Erdogan verschwindet. Er ist ein großer Bandit. Er und seine Partei stecken sich alles in die Taschen.“

Erdogan hat viele Anhänger

Auch Wähler des Pro-Erdogan-Lagers haben klare Vorstellungen: „Wenn Erdogan verliert, dann gibt es einen Kurdenstaat. Das darf nicht sein. Schauen Sie doch, was aus Jugoslawien geworden ist“, sagt Murat Kara aus Stuttgart. „Das System, das Erdogan will, ist gut. So können keine langwierigen Koalitionsverhandlungen wie in Deutschland oder Italien wichtige Entscheidungen verzögern“, sagt ein Mann aus Stuttgart, der nur seinen Vornamen Mehmet nennen will. Eine 24-Jährige aus Göppingen sagt lapidar: „Ich finde es gut, wie es in der Türkei läuft, deshalb wähle ich Erdogan.“ Ein junger Mann sagt im Vorbeigehen: „Ich will, dass uns Erdogan noch 25 Jahre erhalten bleibt.“