Alles so schön schlammig hier: Bei Geländewagen-Touren dürfen die Teilnehmer ihr Fahrkönnen auch auf schwierigem Untergrund unter Beweis stellen. Foto: Schlecht

Wie viel Laune ein Ausflug mit einem Geländewagen macht, lässt sich auf einer Offroad-Tour erleben - etwa im türkischen West-Taurus-Gebirge.

Antalya - Jeder lästert über sie, und trotzdem verkaufen sie sich wie geschnitten Brot. Die Rede ist von Sports Utility Vehicles, kurz: SUV. Jene Pseudo-Geländewagen, die ihrem Fahrer auch auf dem Aldi-Parkplatz das Gefühl von Freiheit und Abenteuer vermitteln sollen. Wer es allerdings ernst meint und sich ins „richtige“ Gelände wagt, kann seinen SUV getrost zu Hause lassen. Denn eine schicke Zierblende im Offroad-Design nützt herzlich wenig bei knietiefen Schlaglöchern oder glitschigen Matschpisten.

Ganz unmissverständlich klar wird das auf einer Geländewagen-Tour durch die Wälder des Taurus-Gebirges, wie sie für Urlauber an der türkischen Riviera angeboten wird. Zur Verfügung steht bei dem Ausflug der einzige reinrassige Pick-up eines deutschen Herstellers, ein VW Amarok. Hinterm Steuer fällt zunächst auf, wie wenig sich der Innenraum von einem, sagen wir mal, VW Touran unterscheidet. Der Modellname Amarok ist abgeleitet aus der Mythologie der Inuit und bedeutet so viel wie „riesiger Wolf“. Das Interieur verströmt allerdings eher die Gemütlichkeit eines Schafspelzes. Graue Plastik-Armaturen, Tachoanzeigen, Schaltknauf - bekannte Hausmannskost aus dem VW-Konzern. Lauert darunter wirklich ein Wolf? Nur ein kleiner Knopf neben dem Schaltknauf verrät etwas von der wahren Identität des Wald- und Wiesenfahrzeugs: Offroad steht dort neben dem Bildchen eines Geländewagens, der steil bergab fährt. Wohl eine Bergabfahrhilfe. Das ist alles? Kein Sperrdifferenzial? Kein zuschaltbarer Vierradantrieb? Hm.

„So, können mich alle hören?“

Aus dem Funkgerät in der Mittelkonsole krächzt die Stimme von Tourleiter Ahmed: „So, können mich alle hören?“ Aber ja doch. „Wichtig, liebe Gäste: 15 bis 20 Meter Abstand zum Vordermann halten, okay? Bitte zusammenbleiben“, gibt er durch. Die erste Etappe führt die knapp 40 Teilnehmer in ihren zwölf Pick-ups über eine gut asphaltierte Straße Richtung Norden in den Köprülü-Nationalpark. Im Gegensatz zu Antalya mit seinen Sandstränden und Hotelbettenburgen öffnet sich hier eine saftig-grüne Berglandschaft. In den Tälern reihen sich unzählige Gewächshäuser aneinander. Besonders feine Oliven sollen hier wachsen, berichtet Ahmed. Je weiter sich die Gruppe von Antalya und seinem fruchtbaren Hinterland entfernt, desto brüchiger werden die Fassaden, desto menschenleerer die Straßen. In einem Dorf leben nur noch 17 Menschen, erzählt der Tourleiter. Sie seien alle älter als 60. Jüngere Generationen hätten dem Dorf den Rücken gekehrt oder seien im Internat. In den dünn besiedelten Gebieten gebe es für viele Kinder keine andere Möglichkeit, zur Schule zu gehen, sagt er.

Der Ausflug im Geländewagen ist auch ein Ausflug in ärmere Gebiete der Türkei. Nach einem Fotostopp bei dem antiken Amphitheater im Bergdörfchen Selge geht es runter vom Asphalt. Und rein in den Wald. Aus der Straße wird eine Schotterpiste, dann ein Waldweg und schließlich ein sehr, sehr holpriger Waldweg. Mit immer mehr Schlaglöchern und immer tieferen Pfützen. Der Geländewagen hüpft und buckelt wie ein Stier beim Rodeo. Dann taucht vor dem Kühler ein Schlammloch auf, so groß wie das ganze Auto. Und da sollen wir jetzt durchfahren? Ahmed am Funk bleibt unerbittlich: „Nummer fünf, ich seh’ dich nicht, gib a bissle Gas!“ Sein Wort in Gottes Ohr - und, wroooom, geht es durch den kleinen Drecksee. Der Amarok wühlt sich anstandslos durch und lässt den Fahrer kurz vor Erleichterung jauchzen. Wohl doch mehr Raubtier als Schaf. Unterwegs macht die Karawane halt auf einer kleinen Lichtung. Zu Fuß geht es weiter durchs Unterholz. Auf einmal tut sich ein beeindruckendes Panorama auf: Der Adler-Canyon.

Tempo ist ein relativer Begriff

Der hat seinen Namen von den Adlern, die in den Felsvorsprüngen hausen. Ahmed lotst die Gruppe behutsam an den 100 Meter tiefen Abgrund. Geländer? Nein. Der Kontakt mit einer schroff-schönen, unberührten Natur ist ein willkommener Nebeneffekt der Geländewagen-Tour. Zurück im Cockpit folgt der Abstieg über serpentinenhafte Waldwege. Ahmed macht weiter Tempo. Wobei Tempo ein relativer Begriff ist, schließlich umzittert die Tachonadel gerade einmal die 30-km/h-Marke. Doch 30 Sachen im Amarok auf einem löchrigen Feldweg fühlen sich schneller an als 180 auf einer deutschen Autobahn. Für die ganz Hartgesottenen geht es noch eine Stufe rabiater. In dem Basislager des Tour-Veranstalters wartet ein Toyota Landcruiser in Dunkelgrün metallic. Sein Fahrerhaus beginnt gefühlt eineinhalb Meter über dem Boden - so hoch haben die Offroad- Fanatiker das Fahrwerk geschraubt. Das Einsteigen wird selbst für Großgewachsene zur Kletterpartie. Die monströsen Geländewagenreifen tun ihr Übriges.

„Den hier dürfen die Touristen nicht selber fahren“, sagt Ahmed. In Anbetracht der 380 Pferdestärken ist das sicher ein vernünftiger Gedanke. Mit einem Druck aufs Gaspedal weckt Ahmed den V8 auf, der sogleich grollend einen guten Morgen wünscht. Auf einem Offroad-Parcours in der Nähe brettert Ahmed in dem Brachial-Toyota durch ein Flussbett und Kiesgruben, als wäre er auf der Flucht vor der Polizei. Drinnen schaukelt und schunkelt es wie in der Achterbahn. Mit dem Unterschied, dass man nicht angeschnallt ist: Der Sicherheitsgurt rastet nicht ein. Bleibt also nur festhalten. Und beten. Doch der Toyota zieht sich an den eigenen Haaren aus dem Dreck. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte jeder Beifahrer heilfroh sein, nicht in einem SUV zu sitzen, sondern in einem richtigen Geländewagen.

Geländewagen-Tour in der Türkei

Trend zu Geländewagen
Der Offroad-Trend hält an. Wurden im Jahr 2000 nur knapp 100 000 Geländewägen und SUV neu in Deutschland zugelassen, so lag diese Zahl 2014 schon bei 529 000. Die meisten der Allzweck- Karossen verlassen jedoch so gut wie nie asphaltierte Straßen.

Tagestour im Türkei-Urlaub
Die beschriebene Tour gehört zum einwöchigen Aktivurlaub „Spaß, Sport und Action an der türkischen Riviera“, die über FTI Touristik gebucht werden kann. Bei zahlreichen Hotels in der Region Antalya und Side bietet der Veranstalter die Tour aber auch als Tagesausflug an. Die Preise beginnen ab 79 Euro pro Person und Tag. Infos bei www.fti.de und www.vianobilis.com

Längere Expeditionen
Zahlreiche Anbieter haben ganze Offroad-Urlaube im Portfolio. So lassen sich bei Spezialveranstaltern wie Karawane Reisen beispielsweise Australien, Afrika oder der Oman auch am Steuer eines Geländewagens erkunden ( www.karawane.de ).

Wer einen langen Flug scheut, kann auch die Alpen oder die Toskana abseits der ausgetretenen Pfade entdecken, so zum Beispiel bei TC-Offroad-Trekking ( www.tc-offroad-trekking.de ). Zum Teil bieten auch Geländewagen-Hersteller wie Land Rover Offroad-Reisen (z. B. Kreta, Island, Australien oder Namibia) sowie -Trainings an, www.landrover-experience.de

Offroad-Training und Messe
Für ein erstes Herantantasten ans Geländewagenfahren bietet sich ein Workshop für ein Wochenende an. Einen solchen bietet etwa die Geländefahrschule Markom in Sinsheim an ( www.gelaendefahrschule.de ), Tel. 0 72 61 / 97 88 88). Die zweitägigen Fahrtrainings (399 Euro für ein Auto und einen Fahrer, Beifahrer 50 Euro) finden statt im Abenteuer- Steinbruch bei Künzelsau ( www.adventuresteinbruch.de ).

Weitere Anbieter: ADAC-Fahrsicherheitszentrum Hockenheimring ( www.fsz-hockenheimring.de ), Offroad-Park Langenaltheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ( www.offroadpark-langenaltheim.de ).

Allgemeine Übersicht auch auf www.suv-cars.de/offroad-parks.html

Europas größte Offroad-Messe
Abenteuer & Allrad mit rund 200 Ausstellern findet vom 4. bis 7. Juni in Bad Kissingen statt, www.abenteuer-allrad.de