OB Boris Palmer war am Donnerstagabend bei Maybrit Illner (Archivbild). Foto: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Bei Maybrit Illner soll der Polemisierer Boris Palmer die Quote hochtreiben. Der grüne Tübinger OB mischt die recht zurückhaltende Runde ein kleines bisschen zur Frage auf, ob Corona das Land spaltet.

Tübingen - Von medialer Enthaltsamkeit, von weniger Talk-Show-Auftritten und weniger Frühstücksfernsehfettnäpfchen scheint der Tübinger Oberbürgermeister nichts zu halten. Kaum hat ihn der Gemeinderat in einer bemerkenswerten Online-Sitzung samt öffentlichem Livestream abgewatscht und eine Anti-Palmer-Resolution wegen dessen bitterbösen Corona-Aussagen verabschiedet, da ist er schon wieder auf Sendung. Schnell die Krawatte umgebunden, hoch zum SWR-Studio und während im Rathaus und in der Videokonferenz die Räte noch weitertagen, lässt sich Palmer bei Maybrit Illner zuschalten.

Vom Rathaus zur ZDF-Schalte

„Pandemie und Protest – kann Corona das Land spalten?“, ist die Frage des Donnerstagabend und Palmer passt als Polemisierer bestens rein in die sonst wenig bissige Runde. Natürlich wird jener quotenbringende Satz eingeblendet, der dem Grünen noch viel mehr Ungemach als nur die Aufforderung des Landesverbandes zum Parteiaustritt bereitet hat. „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.“

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Dumm formuliert sei die Aussage gewesen, darf Palmer noch einmal richtig stellen, „wir schützen die alten Menschen nicht gut genug“, steckt er seine Position ab und ärgert sich darüber, dass eine konsequente Coronavirus-Teststrategie für Risikoeinrichtungen wie Alten- und Pflegeheime im Land viel zu spät gefahren worden sei. Eine große Fahrlässigkeit, die zu vielen Toten geführt habe. Doch dann verheddert sich Palmer wieder in der Statistikdebatte zur durchschnittlichen Lebenserwartung in Altenheimen und streitet sich mit Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionskrankheiten über Zahlen – anstatt endlich davon abzurücken.

Warum die Verschwörungstheoretiker so viel Zulauf haben

Man müsse einen Zaun um jedes Altersheim machen, um die Risikogruppe vor dem Virus zu bewahren, kontert der „Spiegel“-Journalist Nikolaus Blome, die Idee der Abschottung der älteren Menschen, um dann darüber zu spekulieren, warum die Verschwörungstheoretiker so viel Zulauf haben. Streckenweise plätschert die Live-Show recht einschläfernd vor sich hin. Christiane Woopen, die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, ist die Stimme der Vernunft, die sich um die Würde des Menschen in Corona-Krisenzeiten sorgt und eine Lanze dafür bricht, dass sich Menschen auch dafür entscheiden dürfen, ein bestimmtes Risiko einzugehen. Etwa sich anzustecken, wenn der Enkel die Großeltern trifft. Und Tobias Hans, der saarländische Ministerpräsident, verteidigt einerseits die Grundrechtseinschränkungen der vergangenen Wochen und findet es andererseits richtig dass, die Menschen auf die Straße gehen und dagegen demonstrieren.

Palmer schafft mit Illners Hilfe sogar den Schwenk zu seinem längst verstorbenen Vater, dem legendären Remstalrebellen, und sagt, dass der vermutlich ganz vorne dabei gewesen wäre bei den Protesten. „Er hätte vielen Demonstranten sicher ordentlich die Meinung gesagt“, mutmaßt Palmer, „weil da ganz viele dabei sind, die kruden Theorien folgen.“