Tuncay Kalender an seinem letzten Tag als Tübinger Dönerbudenchef Foto: Keck

Tuncay Kalender, Tübingens prominentester Kebabbudenchef, will kein Fleisch mehr verkaufen. Seine Branche habe das Produkt verramscht, sagt er.

Tübingen - Die bekannteste Dönerbude Tübingens, zentral gelegen an der Ecke Mühl-/Gartenstraße, ist seit wenigen Tagen geschlossen – und das hat nichts damit zu tun, dass die Umsätze nicht mehr stimmten oder der Vermieter die Räume gekündigt hat. Nein, Tuncay Kalender hat genug vom Fleisch. Er will es selber nicht mehr essen, er erinnert daran, dass es früher üblich war, nur sonntags Braten aufzutischen und hält die Tiermastindustrie in Deutschland für ziemlich kritikwürdig.

Das Kebabgeschäft hat sich der 48-Jährige nicht ausgesucht, er hat es von seinem Vater übernommen. Der war 1991 unter den Dönerpionieren der Unistadt und kam mit der türkischen Spezialität bestens an. Als sein Vater an Krebs erkrankte, musste Tuncay Kalender ran. „Mein Bruder ist Gefäßchirurg, meine Schwester hat eine Behinderung, da bleib nur ich übrig“, erzählt der Betriebswirt. Er kündigte 2002 seinen Job bei einer Softwarefirma, um den Imbiss zu übernehmen. Die Berge an Verpackungsmüll, angefangen bei der Alufolie, der schlechte Ruf des Döners – all das will Kalender hinter sich lassen. „Die Branche hat das Produkt Kebab verramscht“, kritisiert der Unternehmer. Immer billiger bot es die Konkurrenz an, immer schlechter sei bei vielen Buden die Qualität des Fleisches geworden. Da wolle er einfach nicht mehr mitmachen, gesteht Kalender. Unterstützung erhält er von seiner Frau – einer Vegetarierin. Der Gastronom konzentriert sich künftig verstärkt auf sein zweites Standbein: den Kaffeebetrieb.

Tür an Tür gab es bisher Döner und Latte macchiato. Der Kebabgrill zieht aus, Süßes passend zum Kaffee soll dann Anfang April nach einer kurzen Umbauphase einziehen. So wenig Einweg wie nötig, so viel Mehrweg wie möglich ist das Konzept, und Tuncay Kalender überlegt gerade, für die Coffee-to-go-Becher aus wiederverwertbarem Biokunststoff einen Komposteimer vors Café zu stellen.

Zu viel Verpackungsmüll, zu hoher Preisdruck in der Gastrobranche

Etwas nostalgisch wurde Kalender dann doch noch am vergangenen Donnerstag, seinem letzten Arbeitstag als Dönerverkäufer. Mit dem Handy knipste ihn seine Nichte vor dem Spieß, Kunden sprachen ihn auf den Abschied an. Sein längst verstorbener Vater Ismail ist auf einem Foto zu sehen, das hinter der Theke hängt. Was er zur Kebab-Kehrtwende gesagt hätte? „Er hätte verstanden“, sagt sein Sohn, „dass eine Veränderung immer gut ist.“