Fahrradfahrer sieht man in Prag eher selten - wenn, dann in voller Montur auf dem Mountainbike. Foto: Kummer

Fahrradfahren in der tschechischen Hauptstadt wird langsam schick. Wer als Tourist ein Leihrad sucht, kann mitunter Kurioses erleben.

Prag - „Sind Sie lebensmüde? In Prag können Sie doch nicht Fahrrad fahren“, sagt ein Hotelportier am Wenzelsplatz, als er nach einem Leihrad gefragt wird. Auch auf der Straße bekommt man auf die Frage „Wo kann man hier Fahrräder ausleihen?“ merkwürdige Antworten: „Fahrrad? Was wollen Sie denn damit? Ein Taxi steht dort drüben.“ Das ist schade, denn die Sehenswürdigkeiten in der tschechischen Hauptstadt liegen relativ dicht beieinander. Am östlichen Ufer die Neustadt, der Altstädter Ring und das jüdische Viertel, auf der westlichen Seite der Hradschin mit der Burg und die Malá Strana mit den hübschen Gässchen und Geschäften. Verbunden werden beide Teile von etwa zehn Brücken, von denen die Karlsbrücke die berühmteste ist. Mit einem Fahrrad könnte man die Stadt bestens erkunden, gerade wenn man nur ein Wochenende Zeit hat.

Im Internet dagegen ist alles klar und einfach, es gibt viele schöne Bildchen. Doch halten die auch das, was sie versprechen? Die erste Station ist „City Bikes - Prague’s original & finest“. Das Unternehmen bietet seit 2003 geführte Radtouren durch Prag an und verleiht auch Räder. Hier kennt man sich aus mit Fahrradtouristen. Andrew, ein Engländer Ende vierzig, führt diverse Mountainbikes und Cruiser vor. Auf die Frage nach einem ganz normalen Damenrad erntet man allerdings einen vorwurfsvollen Blick. Die Cruiser ohne Gangschaltung seien jetzt doch total angesagt. Doch wie soll man damit nur zur Prager Burg raufkommen? Mit dem Mountainbike? Eher nicht! Also geht die Suche weiter.

„I like E-Bikes“

In der Dlouha 24 befindet sich „Praha Bikes“. Es werden geführte Radtouren angeboten, sogar eine „Beer and Bike Tour“, eine Fahrrad- und Bier-Tour. Doch auch hier sind die Drahtesel Sporträder mit 21 oder 24 Gängen. Nur Mountainbikes. Deshalb führt der nächste Weg zum Verleih namens „I like E-Bikes“. Wie der Name schon sagt, werden hier nur Elektroräder verliehen, zurzeit aber nur Elektroklappräder für ca. 50 Euro am Tag. Zu teuer. Wer fährt überhaupt Fahrrad in Prag? Allzu viele sieht man nicht, meistens tragen sie einen Helm und fahren Mountainbike, und meistens sind es junge Männer. Da Prag im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde, hat es im Zentrum fast durchweg ein sehr unebenes, altes Kopfsteinpflaster mit vielen gefährlichen Lücken. Die Bordsteine sind sehr hoch, an manchen Stellen bis zu 35 Zentimeter. Keine einfachen Voraussetzungen.

Der nächste Versuch führt in die Jindrisska 7 zu „Broadway - Bikes and Skooter rental“. Im Internet sieht man ein paar tolle Bilder von Fahrrädern, in der Realität folgt Ernüchterung. In einem kleinen Hinterhof stehen ein paar Schrottautos herum, dahinter ein kleines Kabuff, in dem eine mollige Russin mit langen Fingernägeln laut telefoniert. Hier soll es Damenfahrräder geben. Die Russin beginnt unter den Papieren einen Schlüssel zu suchen, schimpft und marschiert in eine Garage. In einer Ecke liegen drei Mountainbikes und ein rotes Klapprad der Marke Mifa. Das zerrt sie heraus. Dieses Vehikel hat schon bessere Tage gesehen, und leider hat es einen Platten. Die Russin kommt mit einer Luftpumpe, doch das Ventil ist kaputt. Sie zerreißt den Vertrag und sagt resigniert: „Gehen Sie ins Interkonti!“ Was zuerst wie ein Scherz klingt, ist keiner. Peter und Jan von „Pujcovna Segway“ haben schon lange auf eine Radfahrerin gewartet.

Die Prager laufen Sturm gegen Segways

Seit drei Jahren verleihen sie Segways im Hotel Intercontinental. Doch dieser Markt wird sich in Zukunft ändern. Es gab bisher drei Firmen in Prag, die sich das Segway-Geschäft mit geführten Touren teilten. „Plötzlich tauchte da eine vierte Firma auf, Russen“, meint Jan. „Die vermieten die Segways einfach an jeden, ganz ohne Einweisung oder Führung.“ Etliche Fahrer, die mit der Geschwindigkeit von 20 km/h nicht umgehen konnten, haben daraufhin Leute auf dem Bürgersteig angefahren, es gab Unfälle mit Kindern. Jetzt laufen die Prager Sturm gegen die Segways. „Ein Verbot wird sicher kommen“, vermutet Jan, „auf jeden Fall für die Bürgersteige.“ Darum haben Peter und Jan jetzt Fahrräder gekauft, hochwertige und gut gefederte Damenräder von KTM mit acht Gängen. Das Rad passt perfekt. Die Tour führt zunächst ans Moldauufer auf der östlichen Seite immer in südlicher Richtung.

Auf der westlichen Seite ragen die Prager Burg, das Kloster Strahov und die Loreta empor. Ein wunderschöner Anblick. Dann geht es über die Karlsbrücke, wo die anderen Touristen ungläubig staunen. Sogar die Bettler heben den Kopf, wenn da einer auf einem Fahrrad vorbeifährt. Rechts geht es weiter zum Kafka-Museum und weiter auf die ruhige Kampa-Insel in einen schönen Park. Das Museum für zeitgenössische Kunst, insbesondere der 60er und 70er Jahre, lohnt auf jeden Fall einen Besuch. Ein Stückchen weiter ist gleich das elegante Kaffeehaus Savoy, wo Franz Kafka Stammgast war. Es gibt eine gläserne Patisserie und einen schönen Weinkeller.

Acht Kilometer von Prag in schönster Natur

Die Radtour geht über die Legii-Brücke zurück auf die östliche Seite. Das erste Haus links ist gleich das Café Slavia, hier war der Autor Milan Kundera Stammgast. Hier biegt ein toller Radweg Richtung Süden ab, der immer am Ufer der Moldau entlangführt, vorbei am „Tanzenden Haus“, mal unten am Hafen, mal oben auf dem Bürgersteig. Nach etwa zwei Kilometern belebt sich das Ufer. Am Fuße des Vysehrad gibt es kleine Cocktail- und Bierbars. Hier treffen sich Studenten, junge Leute, die Szene von Prag. Touristen verirren sich seltener hierher. Noch seltener werden sie, je weiter man südlich auf dem Radweg fährt. Stattdessen stoßen immer mehr Mountainbiker hinzu. Keine acht Kilometer weiter ist man aus Prag heraus und mitten in schönster Natur.

Der schmale Weg ist zu einer breiteren Asphaltpiste geworden, wo Skater und Biker um die Wette fahren. Entlang der Moldau erstrecken sich Wiesen und Wälder. Auf dem Fluss wird gerudert und gepaddelt. Alle drei Kilometer gibt es kleine Bistros oder Parkplätze, wo noch mehr Skater aus ihren Autos krabbeln. Man ist sportlich unterwegs - das Alter spielt dabei keine Rolle.

Infos zu Prag

Anreise
Czech Airline ( www.czechairlines.de ) oder Lufthansa ( www.lufthansa.com ) fliegen ab Frankfurt am Main nach Prag. Man kann auch mit dem Bus ( www.eurolines.de ) oder Zug anreisen ( www.bahn.de ).

Unterkunft
Empfehlenswert ist das Vier-Sterne-Hotel Intercontinental. Es liegt superzentral zum jüdischen Viertel, hat einen 1000 Quadratmeter großen Spa-Bereich mit mehreren Pools sowie einen Fahrradverleih. Preis pro Doppelzimmer inklusive Frühstück ab 127 Euro, www.intercontinental.com .

Das K+K Hotel Fenix ( www.kkhotels.com ) ist ein ordentliches Haus mit modernen Standards und gutem Frühstück. Preis pro DZ/F ab 77 Euro. Jung, modern, stylish und ausgezeichnet: Fusion Hotel. DZ ab 59 Euro, Hostel-Mehrbettzimmer ab 14 Euro pro Person ( www.fusionhotels.com ).

Essen und Trinken
Kolkovna ( www. kolkovna.cz ) serviert deftige Prager Küche sowie eigenes Bier - preiswert und gut. Im Restaurant King Solomon ( www.kosher.cz ) kann man koscher essen, Tagesmenü ab 20 Euro. Café Savoy ( www.cafesavoy.ambi.cz ) ist Restaurant, gläserne Patisserie und Weinkeller in einem und soll Kafkas Lieblingscafé gewesen sein.

Fahrradverleih
City Bikes ( www.citybike-prague.com ) verleiht nicht nur Räder, sondern bietet auch geführte Radtouren an. Zwei Stunden ab 13 Euro, 24 Stunden ab 28 Euro. Praha-Bike ( www.prahabike.cz ) hat Mountainbikes, Trekkingbikes, Tandems sowie Kinderfahrräder im Angebot. Eine Stunde Leihen kostet 7 Euro, ein Tag ab 22 Euro pro Person. Pujcovna Segways ( www.bikerent.cz ) hat neben Fahrrädern auch Segways und E-Bikes. Zwei Stunden ab 22 Euro, pro Tag ab 33 Euro

Allgemeine Informationen
Prague City Tourism, www.praguewelcome.cz