Anfang der Woche gab es noch Küsschen am Rande der UN-Vollversammlung, jetzt sind neue Vorwürfe von US-Präsident Trump gegenüber Kanzlerin Merkel bekannt geworden. Foto: dpa/Guido Bergmann

US-Präsident Donald Trump und und sein Kollege Wolodymyr Selenskij werfen der Kanzlerin Untätigkeit in der Ukraine vor. Die Koalition in Berlin weist das zurück.

Berlin - Angela Merkel sagt nichts zum Vorwurf, dass sie nur redet, aber nichts tut. Die Bundeskanzlerin äußert sich bei einem Auftritt in Frankfurt nicht zu den Stellen im freigegebenen Telefonprotokoll des Weißen Hauses, in denen sich US-Präsident Donald Trump und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskij wenig Schmeichelhaftes über die deutsche Regierungschefin verlautbaren.

Die Anwürfe sind hart. In dem Gespräch vom 25. Juli, das in den USA eine zentrale Rolle bei der Prüfung eines möglichen Amtsenthebungsverfahrens spielt, bekommt die deutsche Ukraine-Politik ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Laut Mitschrift erklärt Trump, dass die Bundesrepublik „fast nichts“ für das Land tue: „Wenn ich mit Angela Merkel spreche, redet sie über die Ukraine, aber sie tut nichts.“ Sein Amtskollege pflichtet ihm bei – und zwar „1000-prozentig“. Selenskij will bei seinem Treffen mit Merkel Ende Juni in Berlin wie auch gegenüber Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mehr EU-Engagement gefordert haben, vor allem bei den Russland-Sanktionen: „Sie arbeiten nicht so intensiv für die Ukraine, wie sie das tun sollten.“

Das kommt in der Berliner Regierungskoalition gar nicht gut an, auch wenn Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, befreundeten Staatschefs zugesteht, dass ihr Ton untereinander „etwas hemdsärmelig“ ist: „Allerdings sollten die Fakten stimmen. Der Vorwurf an Deutschland, wir würden lediglich mit Worten die ukrainische Regierung unterstützen, ist schlicht falsch.“ Die Behauptung, „Deutschland würde in Bezug auf die Ukraine nur reden, aber nichts tun, entbehrt jeder Grundlage“, meint auch sein SPD-Amtskollege Nils Schmid.

Tatsächlich summieren sich die Hilfsgelder seit Ausbruch des Konflikts 2014 auf rund 1,4 Milliarden Euro – darunter sind gut 500 Millionen Euro für humanitäre Hilfe und die Stärkung staatlicher Institutionen im Kampf gegen die Korruption, ein ungebundener Kredit in ähnlicher Höhe sowie Projektmittel für die Ostukraine. Die EU als Ganzes hat nach der russischen Aggression gegen das Land laut Auswärtigem Dienst in Brüssel 15 Milliarden Euro mobilisiert, um die Ukraine zu stabilisieren. Die Entwicklungshilfeausgabe der EU lagen nach Angaben der OECD auch in den Jahren 2016 und 2017 höher als die der USA. Erst im März wurden zudem die Sanktionen gegen Moskau erweitert.

Ein Gipfeltreffen zur Ukraine ist in Planung

Vor allem aber versuchen Merkel und Macron immer wieder, Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess zu bringen. Ein Gipfeltreffen ist in Planung, worüber Merkel erst am Dienstag am Rande der UN-Versammlung in New York mit Selenskij ausführlich gesprochen hat. Eine Überraschung sind die Aussagen von Trump und Selenskij für das Kanzleramt dennoch nicht. Dass der US-Präsident von Deutschland mehr fordert, nämlich vor allem Waffen und Ausrüstung für die ukrainischen Streitkräfte, ist lange bekannt, aber von Seiten der Bundesregierung bereits abgelehnt worden.

Sie steht zudem auf dem Standpunkt, dass sich fernab von Russland leichter ein härteres Vorgehen fordern lässt, als wenn die EU mit einem direkten Nachbarn auch in Zukunft klarkommen muss. Deshalb macht das Kanzleramt erst einmal weiter, als ob nichts gewesen wäre.