Der Autohersteller Ford (im Bild rechts das Rouge-Werk in Dearborn) will neue Jobs in dem Bundesstaat schaffen Foto: Ford

Bundesstaat Michigan hat einen beispiellosen Niedergang hinter sich. Die etablierte Autoindustrie setzt nun auf den künftigen Präsidenten Donald Trump. Die jungen Unternehmer aus Detroit wollen sich lieber selbst helfen.

Detroit - Da kommen sie wieder. Pünktlich zur größten amerikanischen Automesse in Detroit: die Ruinen-Touristen. „Es gibt durchaus Menschen, die gezielt in die Gebiete rund um den Bahnhof gehen wollen“, sagt Ian McCain (23) von der Detroit Experience Factory. Dort sieht die Stadt noch aus ein wie ein Kriegsgebiet: Ausgebrannte Häuser, zerbrochene Fensterscheiben, eingetretene Türen. Die Detroit Experience Factory bezeichnet sich als Willkommens- und Veranstaltungsfirma. Sie wurde 2006 gegründet von Jeanette Pierce (36), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit fester, lauter Stimme den Menschen ihre Heimatstadt näherzubringen.

Rund 20 Prozent der Fläche von Detroit besteht aus unbewohnbaren, zerstörten Häusern. Die Ruinen der Stadt erzählen die Geschichte eines beispiellosen Niedergangs. Einst war Detroit die wichtigste amerikanische Industriestadt. Die drei großen Autohersteller General Motors, Ford und Chrysler sorgten damals für Jobs und Wohlstand im Bundesstaat Michigan. Ab den 1970er Jahren ging es abwärts. Die Autohersteller bauten Arbeitsplätze ab, die Menschen verließen in Scharen die Stadt. 1950 lebten in Detroit 1,9 Millionen Einwohner – heute sind es noch 690 000. Den vorläufigen Tiefpunkt erreichte die Stadt mit der Insolvenz im Jahr 2013.

Doch nun schöpfen die traditionelle Autoindustrie und die jungen, liberalen Unternehmer der Stadt neue Hoffnung – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die einen setzen auf den designierten Präsidenten Donald Trump. Die anderen hätten gerne einen anderen Präsidenten gehabt, glauben aber nach all den Krisenjahren ohnehin nur noch an sich selbst.

Regionale Industrie hält an Standort fest

Glenn Stevens ist im Verteidigungsmodus. Der Direktor von MICHauto, einem Interessenverband der regionalen Autoindustrie, will von einem Bedeutungsverlust seiner Region und der größten amerikanischen Automesse nichts hören. Vom 8. bis zum 22. Januar zeigt die Branche auf der North American International Auto Show (NAIAS) ihre Neuheiten. „Die NAIAS ist heute wichtiger denn je“, sagt er. Es gebe auf der ganzen Welt keine vergleichbare Leistungsschau. So eine hohe Dichte an Automanagern der höchsten Führungsebene, an internationalen Herstellern und ihren Zulieferern gebe es nirgends. Keine andere Messe sei so einflussreich wie die NAIAS, sagt er und fügt an: „die CES eingeschlossen“.

CES ist die Abkürzung von Consumer Electronic Show. Die Unterhaltungsektronikmesse findet jedes Jahr unmittelbar vor der NAIAS in Las Vegas statt und ohne dass dies in Detroit jemand laut sagen würde, gibt es einige internationale Branchenvertreter, die vor allem wegen der CES jeden Januar in die USA fliegen. „Für mich fanden die entscheidenden Treffen in Las Vegas statt“, sagt ein deutscher Automanager. „Dort sieht man, wohin die Zukunft unserer Branche geht. Detroit ist für mich nur noch ein Zwischenstopp, bevor ich wieder nach Hause fliege.“ Um zu zeigen, dass Detroit auch Zukunft kann, haben die Veranstalter der NAIAS dieses Mal zum ersten Mal eine Art Mini-CES im Programm: Die AutoMobili-D. Etwas stiefmütterlich im Keller präsentieren etablierte Unternehmen und Start-ups, was sie beim autonomen Fahren, alternativen Mobilitätskonzepten und der Elektromobilität zu bieten haben. Denn dies sind auch die Themen auf der CES, die immer mehr Autohersteller und Tech-Firmen nach Las Vegas locken.

Subventionen für konveti0nelle Antriebsformen erwartet

22 Kilometer von Detroit entfernt, in der wohlhabendsten Stadt der USA jenseits von Kalifornien und Florida – in Bloomfield Hills –, hat Brandon Boyle, Partner beim Beratungsunternehmen Roland Berger in Michigan, sein Büro. „Es stimmt, dass die relative Bedeutung der NAIAS in den vergangenen Jahren abgenommen hat“, sagt er. Neben der CES läge das auch an der zunehmenden Popularität der Messen in New York und Los Angeles.

Er ist sich dennoch sicher, dass Detroit eine große Rolle spielen wird bei den künftigen Entwicklungen in der Autoindustrie. „Allerdings kämpft auch die Industrie in Michigan mit der Geschwindigkeit und dem Ausmaß der Veränderung in der Branche.“ All jene, denen das Innovationstempo zu hoch ist und die sich als Verlierer der Globalisierung und der Digitalisierung fühlen, setzen nun auf den neuen Präsidenten Donald Trump.

„Der designierte Präsident versteht die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Autoindustrie für Detroit und unsere Nation“, sagt Glenn Stevens. „Trump bekennt sich zu fairem Handel und dazu, dass jeder Mensch die Möglichkeit guter Bildung und eines guten Lebens bekommen sollte. Es sind optimistische Zeiten für unsere Autoindustrie in Detroit und Michigan.“

Immer mehr junge Leute wollen in Detroit Start-ups gründen

Auf der neuen Ausstellung AutoMobili-D hat auch der Stuttgarter Zulieferer Mahle einen Stand und präsentiert seine Neuheiten im Bereich der Elektromobilität. „Im Gegensatz zu der jetzigen Regierung wird es in Zukunft wohl eher staatliche Unterstützung im Bereich der konventionellen statt der alternativen Antriebsformen geben“, sagt Alex Belinsky, Produktentwickler bei Mahle in Troy, einer Stadt rund 40 Kilometer nördlich von Detroit. Er sagt, dass sich in der Branche die meisten einig seien, dass Trump für die amerikanische Autoindustrie gut sei. Die Menschen sind einigermaßen beeindruckt davon, dass Ford seine Pläne, in Mexiko zu produzieren, wegen Trumps Twitter-Kampagne aufgeben hat und stattdessen 700 neue Arbeitsplätze in Michigan schaffen will. Fiat Chrysler will in Michigan und Ohio gar 2000 zusätzliche Menschen einstellen. „Dass Unternehmen derart auf die Tweets eines designierten Präsidenten reagieren, gab es noch nie“, sagt Belinsky.

Die Gründerin Jeanette Pierce schüttelt energisch den Kopf wegen dieser Geschichten. Ob eine Firma in den USA oder in Mexiko produziere sei nicht die entscheidende Frage, wenn es um die Zukunft der Arbeitsplätze in den USA geht. „Meiner Meinung nach sind es die Digitalisierung und die Automatisierung“, sagt sie. Viele Tätigkeiten in den Fabriken würden heute von Maschinen erledigt. Jeanette Pierce kennt so gut wie jeden in der Stadt. „Es gibt immer mehr junge Menschen, die in Detroit ihr Start-up gründen wollen, sagt sie. „Wir können uns nicht vorstellen, dass Trump der Wirtschaft hilft“, sagt sie. „Andererseits kommen wir aber auch aus einer Stadt, deren Bürgermeister im Gefängnis sitzt. Politiker, die nicht hilfreich sind, sind wir gewöhnt.“