Typische Hitzeschäden: ausgetrocknete Astspitzen in der Baumkrone Foto: Torsten Schöll

Ist die Verkehrssicherheit wegen herunterfallender trockener Äste bedroht, sollen Warnschilder aufgestellt werden. Auch die Gefahr von Waldbränden steigt. Wirtschaftliche Einbußen durch den sinkenden Holzpreis spielen in Stuttgart aber eine untergeordnete Rolle.

Stuttgart - Der Wald zwischen Fernsehturm und Frauenkopf leuchtet in frischem Frühlingsgrün. Die Sonnenstrahlen fallen durch die noch lichten Baumkronen auf den Waldboden, auf dem staubtrocken das Laub vom vergangenen Herbst liegt. Darunter: Erdboden, so hart wie Beton, in den sich tiefe Risse graben. Das frische Grün, das an einen vitalen Wald denken lässt, täuscht: Regen ist hier schon den ganzen April keiner mehr gefallen. Und obwohl das Jahr noch jung ist und die heißen Monate erst noch vor der Türe stehen, leidet der Stuttgarter Wald bereits wieder unter großer Trockenheit.

Wolfgang Heckel, der Revierförster im Stuttgarter Osten, blickt von unten sorgenvoll ins Blätterdach. Viele der großen Buchen, die hier eigentlich heimisch sind und prächtig gedeihen müssten, zeigen gravierende Trocken- und Hitzeschäden. „Typisch sind die kahlen Spitzen der Äste in der Baumkrone“, erklärt Heckel und zeigt in die Höhe. „Auch die buschig wachsenden Blätter deuten darauf hin, dass da etwas nicht stimmt.“ Sicher, was hier zu sehen ist, sind keine Trockenschäden, die allein auf den aktuellen niederschlagsarmen April zurückzuführen wären. Vor allem die vergangenen heißen Sommer haben dem Wald mächtig zugesetzt. „Zum Glück hatten wir einen relativ nassen Winter“, sagt der Forstexperte, der seine Hoffnung in die kommenden, oft regenreichen Monate Mai und Juni setzt. „Wenn es jetzt genug regnet, kann die Trockenheit im April noch mal aufgeholt werden.“

Fichte reagiert am empfindlichsten auf Trockenheit

Dass es im Stuttgarter Wald nicht noch schlimmer aussieht, ist dem Umstand zu verdanken, dass die Fichte als die Baumart, die am empfindlichsten auf Trockenheit reagiert, in der Vergangenheit durch Stürme und den Borkenkäfer bereits stark reduziert wurde. „Aufgeforstet wird vor allem mit Eiche“, sagt Heckel. Fichten, obwohl wirtschaftlich ertragreich, werden längst nicht mehr nachgepflanzt. Doch leicht hat es auch die Eiche nicht: Sie komme zwar mit der zunehmenden Trockenheit und der größeren Wärme besser zurecht, leide aber inzwischen vermehrt unter dem Befall von Eichenprozessionsspinnerraupen. Auch der Schädling profitiert von der klimatischen Erwärmung.

Ganz konkret könnte die Trockenheit im Stuttgarter Wald in den kommenden Wochen die Verkehrssicherheit gefährden. Ist es zu trocken und warm, haben auch Pilze leichtes Spiel, die Bäume zu schädigen. Die Folge: „Es kann zu Astbruch kommen“, sagt Heckel. Im Forstamt der Stadt würden bereits Schilder bereitliegen, die, verschärft sich die Situation, Waldgänger entsprechend warnen.

Die Forstkammer Baden-Württemberg, die die Interessen der privaten und kommunalen Waldeigentümer im Land vertritt, warnt indes angesichts des durch Dürre und Sturmschäden geschwächten Waldes vor erheblichen wirtschaftlichen Einbußen. Das viele Schadholz im Wald biete dem Borkenkäfer ideale Brutbedingungen, so die Forstkammer. „Der Holzabsatz ist bereits um rund ein Drittel zurückgegangen. Noch nie stand es um den Wald in Baden-Württemberg so schlecht wie derzeit“, sagt Forstkammer-Präsident Roland Burger. Und auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) warnte erst jüngst: „Bleibt die Witterung in den nächsten Wochen weiterhin trocken-warm, wird 2020 für die Waldbesitzer und Forstleute das dritte Krisenjahr in Folge.“

Die Bevölkerung sieht eine Bewirtschaftung des Stadtwaldes zunehmend kritisch

Der Preisverfall beim Holz spielt im Stuttgarter Kommunalwald eine untergeordnete Rolle. „Wir haben diesen Winter überhaupt kein Holz geschlagen“, sagt Heckel. Grund seien die Proteste aus der Bevölkerung, die eine Bewirtschaftung des Stadtwaldes zunehmend kritisch sieht. Schwerer wiegt für den Revierförster derzeit die Waldbrandgefahr, die durch die anhaltende Trockenheit extrem hoch ist. „Am Bärenschlössle hat es ja vergangene Woche schon gebrannt.

Heckel erwartet, dass die zunehmende Niederschlagsarmut und die Hitzeschäden die Forstreviere auch in Zukunft beschäftigen werden. „Im Nachbarrevier auf der Fildergemarkung gibt es bereits zwei Waldflächen in Südlage, auf denen sich der Buchenwald komplett auflöst“, erzählt Heckel, der seit mehr als 30 Jahren Revierförster in Stuttgart-Ost ist. Wenn sich das Blätterdach, so wie dort, erst einmal dürrebedingt öffnet, trocknet das Sonnenlicht den Wald umso schneller aus. „Da hilft dann nur noch die Wiederaufforstung mit Eichen.“