Der Parteilinken Jürgen Trittin (vorne) und der grüne Oberrealo Winfried Kretschmann sind nicht eben beste Freunde. Foto: dpa

Der Parteilinke Trittin soll die Südwest-Grünen mit einem „Waziristan“-Vergleich verunglimpft haben. Doch es geht um weit mehr, als um eine mögliche Äußerung Trittins. Der Konflikt sitzt tiefer.

Stuttgart - Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gibt sich alle Mühe, das Thema mit Humor zu nehmen. Ob er zu „Waziristan“ etwas sagen möchte, wird der Ressortchef am Dienstag von Journalisten gefragt. Hermann erklärt mit einem Schuss Süffisanz: „Ich habe bereits erste Konsequenzen gezogen. Ich habe in meinem Ministerium angeordnet, dass sich die weiblichen Mitarbeiter in Zukunft verschleiern müssen.“ Etwas ernster schiebt der Minister dann hinterher, er rege sich über dieses Thema nur begrenzt auf.

Kretschmann ist unpässlich - Hermann muss einspringen

Eigentlich hätte ja auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei der Regierungs-Pressekonferenz in Stuttgart die Fragen beantworten müssen. Doch der Regierungschef lag am Dienstag mit einer schweren Erkältung im Bett. Also musste sich Hermann ohne ihn zu dem Zitat von Jürgen Trittin äußern, das der „Spiegel“ in seiner neuesten Ausgabe abgedruckt hat. Einer Journalistin gegenüber soll Trittin über Radikalrealos in der Ökopartei gelästert und dabei Baden-Württemberg als „Waziristan der Grünen“ bezeichnet haben.

Der ebenfalls aus Baden-Württemberg stammende Bundesparteichef Cem Özdemir, ein Realo, verlangt von Trittin eine Entschuldigung für den gewagten Vergleich. Waziristan, das ist eine Region in Pakistan, die radikal-islamischen Gruppen als Rückzugsgebiet dient. Zwar schreibt Trittin in einem Brief an den „Spiegel“: „Es gibt keine öffentliche Äußerung von mir, die das Land Baden-Württemberg als Waziristan der Grünen charakterisiert.“ Zugleich beklagt er aber, dass das Magazin mit nicht-autorisierten Zitaten von ihm arbeite. Das lässt vermuten, dass die Worte doch so gefallen sind - wenn auch im Hintergrund.

Angesichts der langjährigen Auseinandersetzung zwischen dem Parteilinken Trittin und dem grünen Oberrealo Kretschmann würde dies schon ins Bild passen. Sie gelten als Erzfeinde und personifizieren zugleich einen Richtungskampf. Die zentrale Frage ist: Wie erreichen die Grünen im Bund wieder zweistellige Ergebnisse und wie weit dürfen sie dabei nach rechts rücken, um für größere Bevölkerungsschichten wählbar zu werden?

Richtungskampf im Bund in vollem Gange

Ist Baden-Württemberg, wo die Grünen seit 2011 mit dem Juniorpartner SPD regieren, ein Modell für den Bund? Und wie sieht es mittelfristig mit Schwarz-Grün auf Bundesebene aus? Parteilinke sollen Kretschmann schon als „Waldschrat“ verunglimpft haben, verankert in seiner provinziellen Heimat Baden-Württemberg. Vor der Bundestagswahl 2013 setzten sich die Linken in der Partei mit ihrem Steuerprogramm durch - mit dem Ergebnis, dass die Grünen nur 8,4 Prozent einfuhren. Trittin trat als Fraktionschef im Bundestag zurück. Auch auf Druck der Grünen aus dem Südwesten.

Doch der Richtungskampf im Bund ist noch in vollem Gange. Im November steht der Bundesparteitag in Hamburg an. Boris Palmer, ebenfalls ein grüner Oberrealo aus dem Südwesten, forderte nach seiner Wiederwahl als Tübinger Oberbürgermeister vom Sonntag: „Wenn wir raus wollen aus der Acht-Prozent-Nische, dann dürfen wir uns nicht auf Ökologie und Minderheitenthemen reduzieren lassen.“ Einige Parteilinke wiederum meinen, mit Kretschmann schon allein deshalb noch ein Hühnchen rupfen zu müssen, weil dieser im September im Alleingang der schwarz-roten Asylrechtsreform den Weg ebnete, indem er im Bundesrat zustimmte. Der Bundesparteitag jedenfalls dürfte spannend werden.