Die Formel-E-Meisterschaft 2017 fand auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof statt. Jetzt steigen auch Porsche und Mercedes ein. Foto: dpa

Mercedes und Porsche steigen im Dezember in die Formel E ein. Doch alleine auf die Rennsportserie der Zukunft will keiner der beiden Hersteller setzen.

Stuttgart - Sound of silence. Der Klang der Stille. Mit diesen Worten wird die Formel E gerne beschrieben. Weil die Autos mit elektrischer Energie mit mehr als 200 km/h über Stadtkurse rasen, aber außer dem gequälten Quietschen der Reifen und dem hohen Pfeifen des Motors nichts zu hören ist. An diesem Wochenende steht New York unter Strom, wenn die Rennserie am 13. und 14. Juli ins Saisonfinale geht und der Franzose Jean-Eric Vergne wohl den Titel holt. In Hockenheim wird es jedoch laut sein, wenn die Rennfahrer ihren V6-Turbomotoren beim Großen Preis von Deutschland am 28. Juli das letzte PS abverlangen. Die Formel 1 wird zwar nicht mehr erfüllt vom biestigen Kreischen der V12-Aggregate, doch die Ottomotoren produzieren noch immer den Lärm, vom dem Puristen des Motorsports behaupten, er klinge wie Musik in ihren Ohren. Sound of power. Der Klang der Kraft.

Toto Wolff: „Die Formel E ist eine komplett neue Spielwiese“

Mercedes ist Branchenführer in der Formel 1, der Daimler-Konzern ist mit einem Werkteam präsent, wie auch Ferrari (Fiat) und Renault. Von Dezember an wird der Stern aus Stuttgart zudem am Himmel der Formel E aufgehen, beim Autosalon in Genf wurde der erste elektrische Silberpfeil im März vorgestellt. „Natürlich arbeitet unsere Mannschaft seit einiger Zeit an dem Projekt, aber wenn man zum ersten Mal das Fahrzeug sieht, wird einem bewusst, dass es langsam ernst wird mit dem Einstieg“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff in Genf. „Die Formel E ist eine komplett neue Spielwiese.“

Treffpunkt Foyer: Wie lautet die Erfolgs-Formel im Motorsport? Wir fragen die Motorsportchefs von Daimler und Porsche. Melden Sie sich hier an, wenn Sie dabei sein wollen.

Porsche ist aktuell nur in der GT-Klasse in Nordamerika mit einer Werkmannschaft aktiv, doch die Rennsportabteilung in Weissach bereitet sich seit April 2018 auf den Einstieg in die Formel E vor. „Wenn ich zurückblicke, bin ich stolz, was das Team erreicht hat“, sagt Motorsportchef Fritz Enzinger. „Von den Tests des Antriebsstranges am Prüfstand, über den Aufbau des Fahrzeugs, bis zu den mehr als 1000 Testkilometern in Spanien haben wir die ersten Schritte gemeistert, aber es liegt noch viel Arbeit bis zum Start vor uns.“ Es scheint, in der Formel E muss man als global agierender Automobilkonzern teilnehmen. Mercedes und Porsche kommen, derzeit engagieren sich Audi, BMW, Jaguar, Mahindra, Nissan und DS (Peugeot-Citroen-Opel) in der Serie. Dabeisein ist (zunächst) alles, Siegen die Kür.

Auto-Experte: „Es wird eine sehr lange Übergangszeit geben“

Automobil-Experte Willi Diez aus Geislingen ist überzeugt, dass eine Investition für ein Engagement in der Formel E sinnvoll und gewinnbringend ist. Doch auch die Formel 1 und andere konventionelle Serien sieht er noch nicht vom Aussterben bedroht. „Erst wenn kein Verbrennungsmotor mehr auf Straßen fährt, wird es keine solchen Rennen mehr geben“, sagt Professor Diez. „Global betrachtet, wird das wohl erst 2050 eintreten. Es wird eine sehr lange Übergangszeit geben, denn auch die Formel 1 entwickelt sich. Es wird eine Koexistenz über Jahrzehnte geben.“ Damit stellt sich die Frage: Auf welche Rennserien konzentrieren wir uns?

Bei Mercedes lautet die Antwort: Vor allem auf die Formel 1 und, sozusagen als Start-up, die Formel E. Aus der Tourenwagen-Serie DTM ist das Werk 2018 ausgestiegen, das Potenzial schien ausgereizt, das Publikumsinteresse stagnierte, also wurde der Schalter von DTM auf Formel E gelegt. Ähnliche Überlegungen haben Porsche überzeugt, nach drei Gesamtsiegen in Folge beim 24-Stunden-Klassiker in Le Mans auszusteigen und bei der Langstrecken-WM den Zündschlüssel abzuziehen. Das Team hatte bewiesen, wozu es in der Lage ist – auf zu neuen Ufern, auf zu neuen Kunden. „Die Generation E hat ganz andere Interessen als die Formel-1-Fans“, sagt Fritz Enzinger. „Für mich war mit 18 der Besitz eines Autos ganz wichtig, aber meine Tochter nutzt auch Car-Sharing. Zudem kommen viele Menschen zu Formel-E-Rennen, weil sie das mit einem Städteurlaub verbinden.“ Die Formel E als Lockvogel, um Innovationskraft nachzuweisen und Wettbewerbsfähigkeit zu demonstrieren, Mercedes möchte den elektrischen EQC verkaufen und Porsche schickt im Taycan sein erstes E-Auto auf den Markt. „Die Formel E ist das ultimative kompetitive Umfeld, um die Entwicklung von High-Performance-Fahrzeugen in puncto Umweltfreundlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit voranzutreiben“, betont Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner.

Formel 1 ist lukrativ für Daimler

Motorsport ist Marketing, es gilt, mit möglichst wenig Aktionen möglichst viele potenzielle Kunden zu erreichen. Darin ist die Formel 1 klar die Nummer 1. Die Formel E lockt im Schnitt pro Rennen etwa 400 000 Menschen weltweit vor den Fernseher, macht bei 13 Läufen rund 5,2 Millionen Kontakte. Die sogenannte Königsklasse jedoch erreichte vergangenes Jahr 490 Millionen Menschen rund um die Welt – weshalb diese Serie für Mercedes konkurrenzlos ist. Einen Werbewert von 3,9 Milliarden Euro habe die Formel 1 für Mercedes erzielt, rechnet der Rennstall vor. „Die Formel 1 ist die größte globale Sportplattform nach der Fußball-WM und Olympia – und zwar jährlich“, unterstreicht Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Dafür lohnt es sich, jährlich etwa 350 Millionen Euro zu investieren. Denn Mercedes verzeichnet mit der Formel 1 nicht nur einen Imagegewinn mit je fünf WM-Titeln in Fahrer- und Team-WM in Folge, sondern sogar ein monetäres Plus. Der Geschäftsbericht 2017 des Rennstalls weist einen Gewinn nach Steuern von 15,1 Millionen Euro aus. Die Ausgaben können mit Prämien aus dem Formel-1-Topf und Leasingraten für Motoren, die die Teams Williams und Racing Point bezahlen, sowie Sponsoreneinnahmen und TV-Geldern verrechnet werden. Die Formel 1 lohnt sich demnach für Mercedes – und der Einstieg in die Formel E scheint für Mercedes und Porsche sinnvoll zu sein. Nur eine Frage kann wohl nie sicher beantwortet werden: Wie viele Autos verkauft ein Hersteller mehr, weil er im Motorsport erfolgreich ist?

Treffpunkt Foyer: So melden Sie sich an

Im Motorsport existieren für Rundstreckenrennen eine Vielzahl von Klassen von der sogenannten Königsklasse Formel 1 über die Langstrecken-WM und verschiedene Tourenwagen-Serien bis in die semiprofessionellen GT-Klassen und Markenpokale wie etwa den Porsche-Supercup. Für Automobilhersteller gelten unterschiedliche Kriterien, in welcher Serie ein Werkteam an den Start geht – Porsche galt über viele Jahre als der Inbegriff für ein erfolgreiches Engagement in der Langstrecke, der Hersteller ist mit 19 Gesamtsiegen in Le Mans Rekordhalter. Mercedes stand stets für Tourenwagen und kehrte nach dem Abschied aus der Formel 1 im Jahr 1955 erst wieder 1993 als Motorenlieferant für Sauber in die Formel 1 zurück. Von 1995 bis 2009 war Mercedes Partner von McLaren als Motorenlieferant, in dieser Zeit feierte das Team drei Fahrer-Titel mit Mika Häkkinen (2) und Lewis Hamilton sowie einen Titel bei den Konstrukteuren. Seit 2010 stellt Mercedes wieder ein Werkteam und gewann seitdem fünfmal die Fahrer-WM mit Lewis Hamilton (4) und Nico Rosberg (1) sowie fünfmal die Konstrukteurs-WM. Sitz des Teams ist Brackley in Großbritannien.

Termin

Im Treffpunkt Foyer am Mittwoch, 24. Juli (Beginn 19.30, Saalöffnung 18.45 Uhr), sitzen die Motorsportchefs der beiden Hersteller auf dem Podium im Mozartsaal der Liederhalle Stuttgart – Toto Wolff (Mercedes) und Fritz Enzinger (Porsche) stellen sich den Fragen von unserem Motorsport-Redakteur Jürgen Kemmner zum Thema „Welche Erfolgs-Formel ist für einen Hersteller im Motorsport die richtige?“

Anmeldung

Sichern Sie sich jetzt Ihre Tickets für diesen Motorsport-Abend. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist jedoch aufgrund des Platzangebotes erforderlich. Ihre Anmeldung nehmen wir gerne entgegen: unter www.stn.de/foyer. Hinweise zu unseren Datenschutzrichtlinien finden Sie unter www.stn.de/datenschutz.

Gäste

Toto Wolf: Der Wiener (Jahrgang 1972) ist seit Januar 2013 Motorsportchef von Mercedes, er folgte auf dieser Position Norbert Haug nach. Wolff war in jungen Jahren Rennfahrer und startete bei verschiedenen 24-Stunden-Rennen sowie in der GT-WM. 1998 gründete er eine Beteiligungsgesellschaft und machte sich als Geschäftsmann einen Namen, er stieg in die Rennschmiede HWA in Affalterbach ein und wurde 2009 Teilhaber des Formel-1-Rennstalles Williams. Darüber hinaus managte er mehrere Rennfahrer. Seit seinem Einstieg bei Mercedes als Motorsportchef ist Wolff mit 30 Prozent am Formel-1-Team beteiligt.Fritz Enzinger: Der Österreicher wurde im Januar zum Motorsportchef von Porsche berufen, zuvor war der 1956 geborene Österreicher Leiter des erfolgreichen Langstrecken-Programmes bei Porsche und mit verantwortlich für den Gesamtsieg-Hattrick von 2015 bis 2017. Von Juni 1998 bis Dezember 2011 war Enzinger bei BMW Motorsport in verschiedenen Funktionen tätig, darunter auch in der Formel 1.