Ein Verletzter wird aus einem Unfallauto befreit. Glücklicherweise handelt es sich dabei um eine Übung. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

60 Mitarbeiter verschiedener Hilfsorganisationen spielen beim Traumatag diverse Unfallszenarien. Mehrere Menschen liegen verletzt am Boden. Wem hilft man da zuerst? Die Sanitäter bringen Ordnung ins Chaos.

Stuttgart-Wangen - Eine schwangere Frau hält sich den Bauch, ein Mann sitzt wimmernd auf seinem Sitz und ruft um Hilfe, und zwei Menschen liegen auf dem Boden und geben gar kein Lebenszeichen von sich. Da ist es nicht leicht für die Notfallsanitäter den Überblick zu behalten. Ein Zug musste eine Vollbremsung hinlegen, 15 Personen in einem Abteil sind verletzt und müssen geborgen werden. Das ist ein Szenario, das sich die Organisatoren für den 4. Traumatag auf dem Gelände der Malteser in Stuttgart Wangen ausgedacht haben.

Um die Übung möglichst realitätsnah zu gestalten, stellt die Württembergische Eisenbahngesellschaft einen Triebwagen zur Verfügung. Gesteuert wurde diese Probe vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Johanniter Unfallhilfe. David Geserik vom DRK ist einer der Instruktoren und überwacht den Einsatz. „Es geht bei einem solchen Großeinsatz darum, schnell Struktur reinzubringen und das Chaos zu ordnen“, sagt Geserik.

Schwarzes Schildchen: tot

Nur 60 Sekunden bleiben seinen Kollegen bei der Sichtung eines Verunglückten, eine Minute in der neun Sicherungskriterien geprüft werden müssen. Dazu zählt unter anderem das Pulsfühlen, das Prüfen der Atmung und der Check der allgemeinen Orientierung des Verletzten. „Danach muss man sich vom Unfallopfer losreißen“, sagt David Geserik.

Davor werden sie mit Schildchen in diversen Farben versehen - schwarz steht dabei für einen gestorbener Patienten, rot für Menschen, deren Leben bedroht ist und wer noch gehfähig ist wird in grün eingestuft. Diese Menschen müssen das Abteil zuerst verlassen – dann werden die Verletzten mit Schleifkorbtragen nach draußen gebracht – erst hier beginnt die eigentliche Versorgung durch Notärzte, sei es durch Blutstillung oder die Aktivierung der Atmung.

„Für Außenstehende ist es oft völlig unverständlich, dass ihnen nicht sofort geholfen wird“, sagt David Geserik. Was für die Betroffenen oft wie Untätigkeit wirkt, ist in Wirklichkeit volle Konzentration und der Versuch, die Lage einzuschätzen und Prioritäten zu setzen. Nach wenigen Minuten ist der Zug leer. Jetzt wird erneut selektiert, wer zuerst mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden muss.

Neun Stunden Einsatz

Insgesamt sind 60 Mitarbeiter des DRK, der Malteser, der Johanniter Unfallhilfe, des Arbeiter Samariterbundes (ABS), der Freiwilligen Feuerwehr aus Münster sowie Notärzte bei diversen Unfallszenarien neun Stunden lang im Probeeinsatz. Die Teams sind bewusst gemischt. „Das baut zum einen Vorurteile ab, fördert die Zusammenarbeit der Organisationen, und die Teilnehmer sind gezwungen, noch mehr zu kommunizieren, da sie sich nicht kennen “, sagt Simon Kroh von InsideTeam, einer Interessensgemeinschaft von Rettern für Retter.

Notfallsanitäter stehen in ihrem Alltag unter großem Druck: Sie sind meist als erste da, wenn jemand in Lebensgefahr schwebt. Und oft geht es um den Faktor Zeit. Dabei hilft eine klare Kommunikation. Die richtige Ansprache ist deshalb ein wichtiger Bestandteil bei der Ausbildung zum Notfallsanitäter, der inzwischen den Job des einstigen Rettungsassistenten ersetzt hat und mit deutlich mehr Kompetenzen ausgestattet ist.

Gerade das Üben von Großeinsätzen ist wichtig, weil sie in der Praxis eher selten vorkommen. Überhaupt sei der Beruf ein kontinuierliches Lernen sagt David Geserik. Nach der Übung werden noch Feedbackgespräche geführt – was war gut, was kann man noch besser machen.

Rauch und Geräusche sorgen für Stress

Dann wechselt die Gruppe zum nächsten Szenario, das vom ASB gestaltet wurde - ein Mann ist mit einem Kleinwagen gegen einen Baum gefahren und muss von der Feuerwehr befreit werden. Man prüft die Verletzung und entschließt sich den Verunglückten nicht aus dem Auto zu ziehen, sondern schonend zu bergen, in dem die Feuerwehr das Dach aufschneidet.

Auch der Fall eines Radfahrers, der gestürzt und unter ein Auto geraten ist eignet sich als weitere Probe für den Ernstfall. An der Station der Malteser müssen die Teilnehmer bei einem Unfall mit drei Fahrzeugen und mehreren Verletzten den Überblick behalten, die von Mimen mit täuschend echten Verletzungen gespielt werden. Dafür wurde ein professionelles Schminkteam organisiert.

Aufsteigender Rauch und per Band eingespielte Umgebungsgeräusche sorgen für noch mehr Stressfaktoren bei den Helfern. „Dieser Druckaufbau ist wichtig und das passende Rüstzeug für draußen“, sagt Simon Kroh. Die Realität soll bei den Übungen künftig noch besser abgebildet werden. Deshalb hofft Simon Kroh, dass man für den nächsten Traumatag auch noch die Polizei und den Technischen Hilfsdienst mit ins Boot holen kann.