Im Foyer des Theaterhauses bilden die Trauergäste ein Spalier für Wolfgang Dauner und werfen Blumen auf seinen Sarg. Im Foyer des Theaterhauses bilden die Trauergäste ein Spalier für Wolfgang Dauner und werfen Blumen auf seinen Sarg. Foto: Lichtgut/Piechowski/Leif Piechowski

Würdevoll, theatralisch und mit vielen persönlichen Erinnerungen ist Wolfgang Dauner am Mittwoch verabschiedet worden. Im Theaterhaus bildeten die etwa 600 Trauergäste ein Spalier und warfen Blumen auf den Sarg des Musikers.

Stuttgart - Auf der Bühne steht der schwarze Flügel verwaist. Der Mann, der diesem über Jahrzehnte mal laute, mal zärtliche, aber immer gefühlvolle Töne entlockte, hat seine letzte Ruhe gefunden. Er liegt im weißen Sarg, nicht weit von seinem Lieblingsinstrument entfernt.

Im Theaterhaus sind die Scheinwerfer auf den Sarg gerichtet, der einen hellen Kontrast zum Flügel mit dem leeren Hocker bildet. Die Spots machen den Sarg, der kein gewöhnliches Exemplar ist, noch weißer. Der Deckel ist nicht flach, sondern spitz geformt wie ein Hausdach. Darunter liegt ja auch kein gewöhnlicher Mensch.

Der Abschied geht unter die Haut

Als „großer Sohn von Stuttgart“, als „großartiger Jazzer“ und „großartiger Mensch mit ganz besonderem Humor“ wird Wolfgang Dauner, der im Alter vom 84 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben ist, von mehr als zehn Rednern gerühmt – von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, OB Fritz Kuhn, dem früheren EU-Kommissar Günther Oettinger wie auch von engen Freunden. Dieser Abschied von der Bühne geht unter die Haut. Die Trauerfeier an einem Ort, an dem einer der vielseitigsten Pianisten und Komponisten unzählige Mal aufgetreten ist, endet nicht, da alle Zuhörerinnen und Zuhörer den Saal verlassen. Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier gibt die Regieanweisung. Im Foyer sollen sich die etwa 600 Trauergäste auf beiden Seiten aufstellen. Durch dieses Spalier wird sodann der Sarg getragen, unter anderem vom Sohn Florian Dauner und vom Schwiegersohn. Dahinter schreiten die Witwe Randi Bubat und die Tochter Sian Dauner.

Der Beifall hat fast das gesamte Leben des schmerzlich vermissten Ausnahmekünstlers begleitet. Zum Abschied klatschen die Menschen ihm nun ein letztes Mal laut und dankend zu. Sie werfen Blumen auf den Sarg, ehe dieser in einen rundum verglasten Leichenwagen, wie man ihn von italienischen Beerdigungen kennt, geschoben wird. Die Fahrt führt zur Beerdigung nach Münster.

Sohn Florian Dauer spielt Schlagzeug mit dem toten Vater

Für starke Bilder, die im Theaterhaus wie großes Kino wirken, ist die Stylistin Randi Bubat bekannt. Fast 40 Jahre lang war sie die Ehefrau des Verstorbenen. In der Trauerfeier wird sie oft erwähnt, etwa als „Chefin“ oder als „Muse“ des Jazzers. Als Vorbild für Jüngere dient die Liebe der beiden Künstler, die miteinander eins waren, wie dies wenige Paare schaffen. Für die Beerdigung hat die Witwe das städtische, nicht etwa ein privates Bestattungsunternehmen engagiert. Ihren Wolfgang als Sohn der Stadt fühlt sie dort gut aufgehoben. Die von ihr und den städtischen Vertretern organisierte Trauerfeier sorgt für zutiefst emotionale Momente, über die man in der Stadt lange sprechen wird.

Sohn Florian Dauner spielt Schlagzeug mit seinem toten Vater. Die Klaviermusik kommt vom Band, der Junior haut dazu rein, ehe er in Richtung Sarg einen Kuss mit der Hand schickt. OB Fritz Kuhn freut sich, dass 1935, als die Nazis den Jazz in Deutschland verboten haben, ein später ganz großer Jazzer geboren ist.„Wolfgang, du hast Stuttgart unendlich gut getan“, sagt der OB. Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger erinnert daran, wie er bei einer Feier mit Dauner vierhändig spielen durfte, alles zwischen Beatles und „Marina, Marina“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wird philosophisch: „Jazz ist Freiheit, das Synonym für ein besseres Leben.“

Die Tante zog den kleinen Wolfgang im Leiterwagen nach Münster

Theaterhauschef Werner Schretzmeier erzählt die Geschichte eines Auftritts in Wuppertal, wo der Flügel fürchterlich klang. Die Veranstalter hatten ein altes Instrument besorgt, weil sie fürchteten, Dauner zünde seinen Flügel an. Noch mehr Anekdoten gibt’s von Weggefährten des Musikers, die sich im Halbkreis aufstellen. Der Arzt berichtet, wie der Pianist nach einem schweren Eingriff in der Klinikkapelle am Klavier saß und gleich viel jünger aussah. Und Biograf Wolfgang Schorlau erwähnt den Leiterwagen, in dem der kleine Dauner von der Tante in den Stuttgarter Stadtteil Münster gezogen wurde. Die Mutter konnte ihn nicht großziehen. Erst hatte die Tante den „Wurm“ behalten, um ihn vorm Waisenhaus zu bewahren, und dann einer kinderlosen Pflegefamilie nach Münster gebracht. Sein Glück. Die Pflegemutter war eine Klavierlehrerin.

Jetzt kehrt Dauer nach Münster zurück, nicht im Leiterwagen, sondern im verglasten Leichenwagen mit Blumen auf dem Sarg. Seine Musik wird bleiben, Danke für alles, großer Meister!