Mit dem Jugendweltmeister-Titel im Trampolinturnen hat sie alles gewonnen, was man als Jugendliche gewinnen kann. Jetzt will die 18-Jährige auch bei Senioren Furore machen.

Stuttgart - Wie einen Pfeil schießt das Trampolin die Frau in die Höhe. Den Rücken durchgedrückt, die Zehen gerade, schmiegt sie ihren Oberkörper an die Knie und dreht sich rückwärts um die eigene Achse. Ganz mühelos sieht es aus, wenn Aileen Rösler Salti und Schrauben in der Luft kombiniert und zwischen den Sprüngen auf dem Tuch landet, um für den Bruchteil einer Sekunde Luft zu holen.

„Während der Übung denke ich nur daran, was die Trainer fordern: Körper strecken, lange in der Luft bleiben, damit die Kampfrichter nichts von der Note abziehen“, sagt Aileen Rösler. Und man muss schon ganz genau hinschauen, um der 18-Jährigen bei ihren zehn Sprüngen während der Übung Punkte abzunehmen. Schließlich ist sie gerade bei den Wettkämpfen im bulgarischen Sofia Junioren-Weltmeisterin im Trampolinspringen geworden, zur besten Athletin im Alter zwischen 17 und 21 Jahren wurde sie gekürt. „Als ich im Finale die Sprünge der anderen gesehen habe, dachte ich nur: Jetzt muss ich die Übung meines Lebens zeigen“, erzählt Rösler. „Dann stieg ich auf das Gerät, lächelte die Kampfrichter an und machte mein Zeug – hat ja ganz gut funktioniert“, sagt sie und lächelt.

Deutsche Meisterin im Synchronspringen

Rösler spricht mit ruhiger Stimme, fast routiniert erzählt sie von ihrem Alltag zwischen Training, Wettkämpfen und dem Samstagsshoppen auf der Stuttgarter Königstraße mit ihrer Mutter. Ihre Eindrücke bei Turnieren im Ausland und im Training teilt sie im Internet bei Instagram: Da sieht man die Springerin mit ausgebreiteten Armen durch die Luft fliegen oder sich mit Freunden neben Palmen und Meer am Strand vergnügen. „Es ist für junge Sportler immer wichtiger, sich und den eigenen Sport anderen bekannt zu machen“, sagt Rösler. Zumal viele mit Trampolinspringen nicht viel anfangen könnten. „Manche denken, ich springe auf einem Gartentrampolin. Wenn sie die Salti sehen, ändern sie ihre Meinung.“ Da passt es natürlich gut, dass der eigene Vater Fotograf ist und die Tochter absolut gekonnt in Szene setzt.

Viele Fotos zeigen die junge Frau mit Medaillen. Die Erfahrung, schon in frühen Jahren immer wieder auf das Siegertreppchen zu steigen und Turniere zu gewinnen, merkt man ihrer abgeklärten Art an. Vor zwei Jahren wurde Rösler deutsche Jugendmeisterin im Einzel und Doppel. Dieses Jahr gewann sie zusammen mit ihrer Trainingskollegin Leonie Adam die deutschen Meisterschaft im Synchronspringen.

Leonie Adam als Vorbild

Zur Olympia-Zehnten von Rio und Trainingskollegin Leonie Adam hat Rösler ein spezielles Verhältnis. „Sie ist mein Vorbild“, sagt sie. Bei ihr schaue sie im Training ganz genau hin, um die eigenen Fehler auszumerzen. Bei ihr hole sie sich Tipps ein, frage, was sie besser machen könne. Auch Rösler will in einigen Jahren dahin kommen, wo Adam heute schon ist: in der Weltspitze der Senioren und zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. „Es ist mein Traum, für den ich jeden Tag trainiere“, sagt Rösler. Dass die Teilnahme trotz der Jugenderfolge keine Einbahnstraße sein wird, weiß sie aber auch. „Es muss alles passen: die höhere Anforderung im Seniorenbereich, keine langen Verletzungen, auch etwas Glück.“

Für den Olympia-Traum zog die Familie vor einem Jahr von München nach Stuttgart, wo Aileen und ihr Bruder beim MTV trainieren. „Manchmal verstehe ich nicht, was die Menschen sagen“, sagt Rösler schmunzelnd. Aber das kenne sie auch von Leuten, die nach München kämen und kein Bayerisch verstünden. Auch der drei Jahre jüngere Bruder Manuel ist Trampolinspringer, die guten Gene scheinen auch bei ihm zum Erfolg zu führen. Bei der WM in Sofia erkämpfte er die Bronzemedaille.

„Aileen weiß, was sie kann und will“

Die Trainingsbedingungen seien in Stuttgart besser, sagt sie. In der Schule kann sie die Oberstufe um ein Jahr verlängern und so öfter in Ruit üben. Auch Trainer Michael Kuhn war ein Grund für den Umzug. Der Ex-Bundestrainer und einstiger Vizeweltmeister hat einige Talente zu Spitzensportlern geformt. Aileen Rösler will bald dazugehören. „Aileen weiß genau, was sie kann und was sie will“, sagt Kuhn. Im Erwachsenenbereich müsse sie jetzt den Schwierigkeitsbereich erhöhen. Wenn sie gesund bleibe, würde dann nichts gegen Olympia sprechen. Der Traum wäre zum Greifen nah.