Dieses Wohnzimmer gestaltete Anna Reiner für ihr Meisterprojekt. Foto: p/rivat

Anna Reiner aus Filderstadt-Plattenhardt hat sich nach ihrem Einser-Abitur für die Handwerkskunst entschieden. Sie hat ihre Leidenschaft fürs Polstern entdeckt.

Plattenhardt - Gut gepolstert sitzt es sich besser. Was aber, wenn der Lieblingsstuhl durchgesessen ist? Oder wenn sich die Katze ins Sofa krallt und ein Riss im Bezug ist? Oder der geliebte Sessel von Opa sein Innenleben nach außen kehrt? Dann kommt Anna Reiner zum Einsatz. Die 29-Jährige ist Raumausstatterin, ihre Ausbildung hat sie in der Polsterei Ideensprung in Plattenhardt gemacht. Die Polsterei ist ihre Leidenschaft, sagt die Filderstädterin. Bis sie ihren Berufswunsch entdeckt hat, hat es allerdings ein bisschen gedauert. „In meiner Familie sind alle Akademiker. Für mich war klar, dass ich studieren würde“, sagt die junge Frau.

Nach dem Abitur war Anna Reiner für ein Jahr in Kolumbien. Wieder in Deutschland zurück habe sie erst Soziologie, dann Medienwissenschaft studiert. „Aber irgendwie hat mir das nicht so getaugt. Es hat mich nicht erfüllt“, erzählt die junge Frau. „Die Theorie ist nicht so meins. Ich wollte etwas Praktisches machen“, sagt die Einser-Abiturientin. Es folgten Praktika im Weinbau, im Theater und bei einer Schreinerei – und schließlich in einer Polsterei. „Da wurde mir klar: Ich will diese Handwerkskunst lernen“, erzählt Anna Reiner, die noch vier Geschwister hat. Sie entschloss sich, eine Ausbildung zur Raumausstatterin zu machen.

Die Königsdisziplin ist der Federkern

Der Beruf erfordert Kraft, Geschicklichkeit und ästhetisches Gespür. „Man muss schon auch schwer tragen können“, erklärt die 29-Jährige. Polstern ist kein leichtes Handwerk. Es erfordert Kunstfertigkeit bei hohem Kraftaufwand. In ihrer Ausbildung, bei der Anna Reiner auch Böden gelegt, Wände gestaltet und Sicht- und Sonnenschutz angefertigt und montiert hat, lernte sie beide Arten des Polsterns: das traditionelle Polstern und das moderne Polstern.

Während beim modernen Polstern Schaumstoff zum Einsatz kommt, werden bei der traditionellen Polstermethode Naturmaterialien wie Palmfasern oder Kokosfasern verwendet. Mit geübten Händen werden die Fasern zu Bündeln gepackt, komprimiert und vernäht. Darunter befindet sich ein Federkern, der aus einzelnen Federn besteht und ebenfalls selbst angefertigt werden kann. Schließlich wird der alte Stuhl mit einem neuen Stoff bespannt. So ergibt sich eine strapazierfähige, formstabile und komfortable Polsterung. „Man braucht für das traditionelle Polstern viel Erfahrung und Übung, und das Ganze ist auch nicht ganz billig, dafür hält so eine Polsterung ewig“, erklärt Reiner. „Der Federkern ist die Königsdisziplin“, sagt Reiner. Einzelne Federn werden hier zu einem Federgebilde verarbeitet.

Das traditionelle Polstern als Alleinstellungsmerkmal

Nach ihrer Meisterprüfung, im Oktober wurde sie dafür zur Bestmeisterin gekürt, hat Anna Reiner an der Filmproduktion einer bayrischen Komödie mitgearbeitet. Sie kümmerte sich ums Szenenbild und um den Kulissenbau. Nun ist die 29-Jährige auf Stellensuche. „Eigentlich wollte ich gerne ins Ausland nach Spanien, aber wegen Corona bewerbe ich mich jetzt doch erst mal in Deutschland“, sagt sie.

„Viele Menschen trauen sich das Tapezieren von Wänden oder das Verlegen von Böden selbst zu“, sagt die Tochter eines Arztes. Beim Polstern sei das anders. „Es ist eine Kunst, man muss es erlernen. Ich bin sehr froh, dass ich das traditionelle Polstern in meiner Ausbildung lernen durfte“, sagt die Raumausstatter-Meisterin. Es sei ein Alleinstellungsmerkmal.