Reinhard Beck schwätzt gerne mit seinen Gästen. Foto: Eva Herschmann

Reinhard Beck hält in Kernen-Stetten die gute alte Wohnzimmertradition der Besenwirtschaft hoch und freut sich über junge Familien.

Das junge Pärchen, das vor Kurzem vom Tübingen nach Stetten gezogen ist, fühlt sich wohl. Eigentlich wollten sie sich längst auf den Heimweg machen. Doch die Gesellschaft ist nett, es ist gemütlich, die Gespräche sind lebhaft. Also bestellen sie noch ein Viertele Wein, das mit einem Preis von drei Euro im Henkelglas wahrlich bodenständig daherkommt. Im Besen, den Reinhard Beck seit 1976 am Fuße der Stettener Weinberge betreibt, hat der Gast das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Hier hocken sie wie früher üblich, in einer kleinen Stube, die einmal ein Wohnzimmer war.

Nur der Wirt darf die antike Uhr aufziehen

Der Besen hängt gut sichtbar am Haus. Ein von Hand geschriebener Zettel, von innen ans Fenster gelehnt, verkündet Besuchern, wann sie bei Reinhard Beck einkehren können. Nicht nur das erinnert an die gute alte Zeit. Auch das Ticken der Uhr an der Wand mit ihrem großen Pendel und dem lauten Glockenschlag vermittelt nostalgische Gemütlichkeit. Die antike Uhr hat Reinhard Becks Großmutter gehört, und niemand außer dem Wirt darf sie aufziehen. Der 70-Jährige hält es mit der Tradition.

Dass immer mehr Besen seit einiger Zeit mit einer Konzession betrieben werden, davon hält Reinhard Beck gar nichts. Bei ihm ist nichts von Kneipencharakter oder Gastrokonzepten zu spüren. Stattdessen wird hier an gebrauchten Resopaltischen echte Besentradition gelebt. „Die Einrichtung ist noch die gleiche wie am Anfang.“ Einen Saal für große Gesellschaften gibt es hier nicht. Stattdessen mehrere Besenzimmer, in denen sich die Gäste kunterbunt auf den Holzstühlen mit festgebundenen Sitzkissen zusammenquetschen. In der Ecke steht ein Kachelofen, an der Wand hängen Gemälde von der Glockenkelter im Ort neben Holzschnitzereien, und auf den breiten Fenstersimsen gibt es Kitsch und Nippes. Im Nebenzimmer, erzählt der Hausherr, stehe der Hochzeitstisch seiner Eltern. „Und da, wo jetzt das Herrenklo ist, war früher unser Kohlenkeller.“

Es gibt Leber- und Griebenwurst

Er habe den Besen als kleiner Bub an der Hand meines Vaters kennengelernt, erzählt Reinhard Beck. Dass die alten Stettener Haudegen rund um Hermann Medinger später an seinem runden Tisch gesessen sind, sagt er, mache ihn regelrecht stolz. Und ganz in ihrem Sinne betreibt Reinhard Beck seinen Besen. „Ich halte die Tradition hoch. Im Besen sollen die Leute zusammenkommen und schwätzen.“ Und wenn junge Familien kommen und bei ihm Leber- und Griebenwurst essen, „dann freut mich das“.

Das Speisen- und Getränkeangebot in Becks Besen ist grundsolide. Aufgetischt werden Schlachtplatte, Sauerkraut, Schäufele oder Schmalzbrot, und donnerstags gibt es Brustripple und Knöchle mit Brot. Zu mehr als zivilen Preisen von 2,50 Euro für eine Portion Sauerkraut, sieben Euro für ein Bauernvesper oder elf Euro für die Schlachtplatte. Ebenso viel kostet ein Liter vom hauseigenen Rot- oder Weißwein, einem Tafelwein, der vielleicht keine Preise gewinnt, aber in die urige Besenumgebung passt.

Eine Besonderheit, neben dem Weinfest am 1. Mai, hat der becksche Besen noch. „Die meisten Besen machen nachmittags auf, bei mir gibt es Mittagessen“, sagt Reinhard Beck, der zweieinhalb Hektar Rebfläche bewirtschaftet. Riesling, Trollinger, Müller-Thurgau und auch Chardonnay wachsen dort. 16 Wochen im Jahr darf er den Besen aufmachen. „Nicht am Stück natürlich. Aber ich schöpfe den Zeitrahmen ohnehin nie komplett aus.“ Einen Nachfolger hat der 70-Jährige auch nicht. Wenn er aufhört, verschwindet ein Stück alter Besenschule. Ein schrecklicher Gedanke für alle, die echte schwäbische Besenkultur schätzen. Und dazu gehören nun auch die beiden Neu-Stettener.

Serie
 Im Remstal gibt es gut 50 Besenwirtschaften. Vom traditionellen Besen bis hin zu vollkonzessionierten Eventgaststätten, die neben Kraut und Schweinebauch auch Gänse-, Rost- und Rinderbraten servieren. Wein vom Neckar, brasilianische Sorten oder Weingärtle im Sommer – wir haben in die ungewöhnlichsten Besen geschaut.

Heute
 Weinbau und Besenwirtschaft Reinhard Beck, Gaiernweg 60 (beim Neuen Friedhof Stetten), 71394 Kernen. Der Besen ist vom 4. Januar bis 13. Februar geöffnet, und zwar immer montags und mittwochs bis samstags ab 12 Uhr sowie sonntags ab 11 Uhr. Dienstag ist Ruhetag.

Mehr Infos unter www.sylvanus.de