Die Attraktion im Rathaus ist immer ein Foto oder Video wert. Foto: Lichtgut

Die gute alte Technik des Paternoster im Rathaus fasziniert die Menschen im digitalen Zeitalter mehr denn je. Für manche ist der Aufzug sogar ein Wahrzeichen der Stadt.

Stuttgart - Die drei Jungs haben ihren Spaß mit dem Paternoster im Foyer des Rathauses. Immer wieder hüpfen sie hinein und wieder hinaus. Einer der Teenager fährt schließlich nach oben, die anderen rufen ihm durch den Schacht nach. Die drei haben sich kurz von ihrer Gruppe abgesetzt. „Wir sind im Ferienwaldheim Lindental in Weilimdorf, machen ein Stadtspiel. Wir sind im Rathaus kurz aufs Klo gegangen“, erklärt der 13-jährige Nik.

Und der 14-jährige Valle sagt, es mache Spaß, ganz bis nach unten durchzufahren. Dunkel sei es unten im Schacht, „irgendwelche Leute haben die Lichter mit Kaugummis zugeklebt“, erzählt er. Die beiden können der Stuttgarter Institution jedenfalls einiges abgewinnen. „Ich finde es gut, dass der Paternoster so erhalten wird, das hat schon was. Man könnte den ja auch dichtmachen und einen normalen Aufzug installieren“, sagt Valle.

Hin und wieder drückt jemand den Alarmknopf

Zwei Minuten später schrillt der Alarm durch das Erdgeschoss. „Oben hat jemand den Alarmknopf gedrückt“, erklärt ein herbeigeeilter Techniker der Stadt, „oder jemand ist an die Bodenklappen gekommen.“ Zwei- bis dreimal die Woche komme das schon vor, erklärt er. Ursache seien stets die Nutzer. Vor allem Kinder spielten öfter mal an den Knöpfen. Technische Defekte gebe es hingegen nie. „Das ist eine gute alte Technik“, sagt der Mann.

Die Teenager sind mittlerweile wie vom Erdboden verschluckt. Ob Valle und Nik hinter dem Alarm stecken? „Die sind ganz schnell abgedampft“, sagt eine Frau. Mittlerweile ist der Alarm beendet und vier Studenten an den Paternoster herangetreten, in verschiedenen Konstellationen werden Fotos und Selfies gemacht. Auch Sonja Luitz aus Markgröningen dreht jetzt eine Runde. „Ich bin vor 30 Jahren schon einmal gefahren“, sagt sie. Heute ist sie mit ihrem Mann und den beiden Töchtern nach Stuttgart gekommen. Wie die Fahrt vor 30 Jahren war? „Das weiß ich nicht mehr“, sagt sie und lacht. „Es ist aber witzig, dass es ihn immer noch gibt.“ Für Sonja Luitz gehört der Paternoster zu den Wahrzeichen der Stadt – fast so wie der Fernsehturm: „Eine kleine Attraktion ist es schon, ich würde es Besuchern der Stadt auf jeden Fall empfehlen.“

Touristen kommen gezielt zum Paternoster

Die allererste Paternoster-Fahrt hat Brigitte Munzinger hinter sich gebracht. Sie ist mit ihren Nachbarkindern Dijona und Edijon in der Stadt unterwegs. Dijona war bereits einmal mit ihrer Schulklasse da und bat ihre Nachbarin, noch einmal mit ihr hinzugehen. „Man hat irgendwie immer Angst, dass man zu spät reinsteigt“, sagt die zehnjährige. Aber die Fahrt sei schön gewesen. Langsam zwar, aber „trotzdem richtig cool“, so das Mädchen.

Der 57-jährige Thomas Hardt hat gerade ebenfalls Paternoster-Premiere gefeiert – obwohl er schon seit 15 Jahren in der Landeshauptstadt wohnt. Hardt hatte dienstlich im Rathaus zu tun. „Es war interessant“, sagt er. Als Highlight würde er den alten Aufzug aber nicht unbedingt bezeichnen.

Täglich bis zu 1000 Personen vorbei

Die meisten sehen das anders. Nach Angaben der Stadt kommen viele Touristen ganz gezielt ins Rathaus, um Paternoster zu fahren. Insbesondere während der Ferienzeiten komme das häufig vor, sagt eine Sprecherin. Täglich nutzten zwischen 500 und 1000 Personen den Paternoster im Foyer, im Sommer etwas mehr als im Winter.

1953 bestellte ihn die Stadt bei der Zuffenhausener Maschinenfabrik Adolf Zaiser, die ihn 1956 fertigstellte. Am 4. Mai desselben Jahres nahm Oberbürgermeister Arnulf Klett ihn dann in Betrieb. Vier Mal im Jahr warten Mitarbeiter der Thyssen-Krupp Elevator AG sowohl das gut funktionierende Fossil im Foyer als auch die beiden andern Paternoster im Rathaus.

Bundesregierung wollte Paternoster schließen

Für Wartungs- und Instandhaltungskosten für die drei Exemplare werden jedes Jahr 3000 Euro fällig. Dass auch die Verwaltung das Nachkriegs-Faktotum schätzt, zeigte sich vor vier Jahren: Damals musste der historische Aufzug eine achtwöchige Zwangspause einlegen, weil eine Verordnung der Bundesregierung zu einem Paternoster-Fahrverbot führte. Heftiger Protest ließ die Verordnung jedoch bereits nach wenigen Wochen wieder kippen, und Gemeinderat und Verwaltung feierten eine Party zur Wiedereröffnung.